Grüße aus dem goldenen Käfig

13. Oktober 2022

Ich glaube, meine erste dreiwöchige Kur, die morgen zu Ende geht, darf als Literaturstipendium gelten. Ich hatte zwar jeden Wochentag im Hause drei, vier Termine, wie zum Beispiel Hydrojet, Yoga oder medizinisches Vollbad; ich will aber nicht behaupten, dass sie mir so viel Zeit und Nerven raubten. Ich stand spätestens um 8 auf und musste weder Sauber-machen, Einkaufen, Kochen oder Abwaschen. Dinge, die ein Stipendiat wohl selber stemmen muss. Es gab genügend Zeitfenster, die mir als jemand, der ohnehin nicht so lange geradeaus schreiben kann, durchaus genügten, und für nach 14 Uhr gab es selten Termine. Immer pünktlich Feierabend und Wochenende, nie blöde Schichten. Damit kommt man als schreibender Arbeiter locker zurecht. Langeweile hatte ich hier nie, würde nochmal drei Wochen aushalten. Habe mir für drei Tage ein Rad geborgt und bin umher gekurvt. Friedberg and friends fetzen. Zwei Monate sind seit der OP vergangen, und wie mir mehrfach empfohlen wurde, soll ich drei Monate nicht körperlich arbeiten, also noch einige Wochen zuhause bleiben. Ich behaupte mal, den Text bekomme ich bis zum 11.11., 11Uhr11, fertig. Und die Verlagssuche darf während dieser Zeit auch angegriffen werden. Wir sehen uns in Berlin.

Viva Bad Nauheim

22. September 2022

Nachdem mir vor einigen Wochen eine Kalamität operativ entfernt wurde, trete ich morgen eine dreiwöchige Reha an. Man hatte mich im Krankenhaus gefragt, ob ich die gerne in Berlin oder anderswo machen wolle. Ich antwortete natürlich Berlin, denn ich hatte die Stadt glücklicherweise nur zweimal für je drei Wochen verlassen müssen; während meiner beweglichen ´90er, als ich einen auf Landvermesser in Irland und auf Malta machte. Doch als der Reha-Papierkram eintrudelte, lautete die Order plötzlich: Bad Nauheim. Au weia! Ich besorgte mir sofort einen Laptop, um dort nicht ständig spazieren gehen zu müssen. Doch siehe da, denn wie ich dank wwwdeinrohrde erfuhr, ist im einstigen Elvis-Städtele einigermaßen was los: 30.000 Einwohner, alte Kurstadt, ein Eishockey-Zweitligist, viele Rock´n´Roll-Erinnerungsdinger und ein Café Boheme. Gibt bestimmt auch einen kleinen Fußballverein für die Honkies aus nah und fern. Den Namen der Big Siedlung nördlich von Frankfurt am Main werde ich mir schon einprägen. Am Schalter der Deutschen Bahn plapperte ich noch von einem Fahrkartenwunsch nach Bad Hanau und Bad Naumburg. Die freundliche Frau fühlte sich gut unterhalten, erinnerte mich aber daran, mich entscheiden zu müssen. Nun gut, äh, Warnemünde … Ich freue mich auf die drei Wochen und verstehe sie auch als Literatur-Stipendium. Schlimmer als die Lichtenberger 8-Stunden-Schichten der letzten Tage dürften die nahezu täglichen Gymnastikeinheiten in Hessen nicht werden. Sport frei! Turne bis zur Urne!

Endlich 100

29. August 2022

„Sagen meine Tanten“ heißt ein flotter Beat-Song aus alten Tagen. Meine Tanten sagen, beziehungsweise denken, dass ich kein richtiger Autor sei, weil ich davon nicht leben könne. Ungeachtet der Tatsache, dass ich vor Jahren ganz gut im Rennen lag. Momentan habe ich jedenfalls einen richtigen Job, etwas uncool und okay bezahlt, bin aber krankgeschrieben, nachdem ich vor drei Wochen auf dem OP-Tisch lag. Ich fühle mich schon wieder recht fitt, wie ein Home-Office-Fuzzie, denn ich arbeite jeden Tag so schwarz auf weiß vor mich hin; als Autor, weil ich gerade schreibgeil bin. Wenn ich mehr als fünf Liegestütze ohne Ziepen im Bauch absportler, traue ich mir auch die körperliche Ertüchtigung im Vollzeitjob zu, so in zwei Wochen. Der Gegenwartsroman dürfte im September immerhin vorzeigbar sein. Ich werde demnächst meine Fühler nach einem Bundesliga-Verlag ausstrecken, denn auf die Copyshop-League habe ich keinen Bock. Meine OP-Episode vom 10. August habe ich in Kapitel 5 eingebastelt. Hier ist sie:

All die Jahre, all die Jobs. Was habe ich nicht alles versucht und verflucht? Vor einem Jahrzehnt fand ich mich in einem Berufsberatungslokal wieder, wo mir eine junge Frau gegenüber saß, die ihr Köpfchen so schräg und starr hielt und mit einem Äuglein hinter ihrem flotten Popperschwenker hervor lugte. Mir lag eine alte Volksweisheit auf der Zunge, die ich von meiner Mutter kannte: „Schiele wipp, der Käse kippt!“ Gerne hätte ich ihr väterlich das Haar aus dem Gesicht gestrichen, doch ich war nur als Fremdkörper gekommen und musste als solcher gehen. Die letzte Popper-Braut Berlins verwies mich in ein Nachbarzimmer, wo mir ihre Kollegin den allseits bekannten Hinweisschrott unterbreitete. Ich solle meine beruflichen Erfahrungen und persönlichen Interessen in Einklang bringen, alles miteinander multiplizieren und das schlummernde Potenzial in mir aktivieren. Ein bisschen hü, ein bisschen hott. Ich verlautbarte, mir vorstellen zu können, im sozialen Bereich zu arbeiten, für wen und als was auch immer. Na, das wäre doch schon mal was! Bald seien all meine finanziellen Sorgen passé. Klar, ich besäße ein gewisses Einfühlungsvermögen, da ich einige Monate zuvor selber für ein paar Tage 80, 90, 100 Jahre alt war, sogar bettlägerig, nachdem ich wegen eines versteckten Mangels operiert werden musste. Ja, so war´s: In meinem Bauchuniversum fühlte es sich so prall an, wie ständig überfressen, manchmal auch so fies nach Muskelkater. Ich musste von einer Untersuchung zur anderen, und von dort aus über den Operationsvorbereitungsraum in ein frisches Bett, welches ich mit in den Raum zu schieben half, in dem etwa acht andere Wartende die Zeit mit Fernseh-gucken oder Zeitung-lesen vertrieben. Einige schauten kurz auf, wie ich mich körperlich ertüchtigte und fragten sich: Schiebt der sein Bett selber? Was will der hier? Na so fertig war ich zu diesem Zeitpunkt ja noch nicht. Danach kam ich auf eine Liege und wurde über den Oberschenkeln angeschnallt. Das war die letzte Chance zur Flucht gewesen. Ob ich eine Patientenverfügung abgegeben hätte? Nein, man könne mich ausweiden und verwerten, denn abgesehen von dem einen Dilemma sei ich ein gesunder Patient. Und schon bekam ich eine Maske über das Gesicht gestülpt, über die, wie eine scherzende Autorität verlautbarte, nur ein bisschen Sauerstoff käme. Ich solle an was Schönes denken. Schnell wurden die Bilder in meinem Kopf bunter. Ich wähnte mich dem Tod nahe, war aber gut drauf. Einige Ärzte machten an mir herum. Ich bekam nicht mit, wie die konsequente Kralle des großen Medikus erst seine vier Finger in meinen Bauch rammte und die Flüssigkeit absaugte, um danach mit Daumen und Zeigefinger den nunmehr leeren Lappen gekonnt aus meinem Bauch heraus zu flutschen und in den Eimer mit dem Katzenfutter zu befördern. Als ich wieder aufwachte, hörte ich liebliche Frauenstimmen und antwortete recht freundlich. Allerdings, wie ich zuvor gelesen hatte, konnte es nach der OP vorkommen, dass die Stimme kurzzeitig versagt, und so war es. Sprach ich …? Zumindest hörte ich mich selber nicht. Träumte oder wachte ich? Meine ersten Bemerkungen nach der OP schienen immerhin zu dem Kurzgespräch zu passen, welches ich vor der Sauerstoffzufuhr mit der netten Anästhesistin hatte. Doch das waren jetzt ganz andere Frauen, die mich für süß befanden, mir ein Eis anboten und schnell verschwanden. Wie im Leben da draußen, bloß ohne Kompliment und ohne Nascherei. Die folgenden Tage sollten es in sich haben. An mir hing ein Katheder, mein Bauch war zugepflastert und jede falsche Bewegung, sofern überhaupt möglich, äußerst schmerzvoll. Eine leichte Berührung zwischen Bauchnabel und Gemächt ließ mich an die Decke gehen, zumindest emotional. So musste es sein, wenn man als nahezu zerstörter Greis nur noch dahin vegetierte und sich gewillt zeigte, dem schwierigen Schwager alle Passwörter zu verraten. Immerhin war es entgegen meiner Erwartungen im Krankenhaus nicht langweilig. Ich lag im Bett, dauernd kam jemand herein und wollte einen Blick auf die Pflaster werfen. Mal anfassen und sehen, wie ich aufstehe und mich auf die Bettkante setze. Das sei meine Aufgabe, positiver Stress unter Schmerzen. Schon am zweiten Tag nach der OP tippelte ich den Korridor entlang, ließ mir den gruseligen Katheder entfernen und verließ eine halbe Woche später das Haus. Ich brauchte einige Tage, um das Ziepen im Schwanz loszuwerden, trank Nieren- und Blasentee und mühte mich mit Abführmitteln, um den Scheiß in Gang zu bringen. Ich tippelte zur Straßenbahn, von dort aus zur Ärztin, für einen Krankenschein, und wieder zurück; immer auf der Hut, nicht in ein Gedränge zu kommen, wo ich keine Chance haben würde und mich nur um-schubsen lassen konnte. Kamen mir auf dem schmalen Spießbürgersteig scheue Senioren langsam entgegen, signalisierte ich mit meinen Augen: Keine Gefahr, ich bin einer von euch. Doch es ging aufwärts, ich fühlte mich zunehmend wie ein beweglicher 75, 70, 65jähriger … Jedenfalls begann ich einige Wochen nach meiner Aufwartung im Berufsberatungslokal die Ausbildung zum Betreuungsassistenten, um den professionellen Umgang mit an Demenz erkrankten Senioren zu erlernen …

„Niemand hat die Absicht, …

8. August 2022

… eine Fan-Freundschaft zu errichten“. So betitelte ich meinen Gästeblockbeitrag für die TeBe-Fibel, in dem es um das vereinzelte Abkumpeln zwischen den weinroten und lila-weißen Fans geht. Ping-Pong-Alex trifft Titus, Ian trifft Gläsernikov … Meine Story ist insofern Spinne, da Titus zwar beim MfS war, aber die Anwesenheit der TeBeer im Jahn-Sportpark nur beobachtete. Einige Jahre vor der Wende wurde er beim MfS übrigens entlassen, mehr oder weniger in Unehren, also alles schick! Das Buch wird dieser Tage hier und da vorgestellt, zum Beispiel am kommenden Freitag im schönen Mommsen-Casino, in der Stadionkneipe, Parterre in der duften Bauhaus-Tribüne. Los geht es in Charlottenburg um 19 Uhr 02. Ob es um 19 Uhr 66 einen Gedenklikör gibt, weil ich nicht dabei sein kann, weiß ich nicht. Ansonsten ist die Nummer 27 vom Zeitspiel Magazin aus Hannover endlich auf dem Markt, in dem es sechs faire Seiten zum BFC Dynamo gibt, mit dem Doppelseiteneinstiegsfoto sogar acht. Das Magazin kann nur online bestellt werden. Nix mit Bahnhofsbuchhandlung oder Schwarzhandel im Mauerpark. Im Papierprodukt tauchen einige meiner Antworten zu allen Fragen zum Ruhmreichen auf. Online gibt es die kompletten Gespräche mit René Lau und mir für, höhö, lau. Und da ich einige Male von der Insolvenz spreche, es muss wohl Insolvenzverfahren heißen.

P.S.: Fußball interessiert mich nicht.

Tipps

20. Juli 2022

30.7., ab 20 Uhr im Lido, Kreuzberg. Too much future. Anti-FDJ-Punk-Klassentreffen. Konzert mit LÁttentat, Planlos und Betonromantik. Gibt noch Restkarten á 20,- Euro. Outfit-Tipp: Vorne kurz und hinten lang sowie total stonefashed.

6.8., ab mittags, Erfüllung eurer beach dreams, mit Pool, Musik und Getränken zu ´90er-Jahre-Preisen, bzw. Geburtstagsfeier für den zu früh verstorbenen Daniel. Direkt vor dem Hoolywood-Geschäft, Schönhauser Allee 43. Dort soll es in absehbarer Zeit auch einen Tag geben, an dem verschiedene Szenezombies & gelegentliche Schallplattenunterhalter eine umsonst-und-draußen-Festivität vom Stapel lassen.

Für die würdigen Nachfolger von The Fall halte ich die Viagra Boys.

Bis Ende August, denke ick mal, tritt die Reformbühne Heim und Welt in der FIT auf, open air in der Schwedterstr. 262, Prenzlauer Berg.

24.9., ab 10 Uhr, Oi! The Nische bittet zur Kronkorken-Abgabe im Recyclinghof Oranienburg; ab 14 Uhr, Schrottgeldversaufen im Gasthof Niegisch, Schmachtenhagen; irgendwann später dort, Freak Wrestling, zwei DJs, zwei Punkbands, nämlich Horde und Ruhestöhrunk.

P.S.: Leider keine schönen Jazz-Tipps dabei.

Danach nur noch eine

16. Juli 2022

Ich bin optimistisch, auch in diesem Jahr keine fünf Beteiligungen an Lesungen zu absolvieren, beziehungsweise, den Durchschnitt der Corona-Jahre nicht zu überschreiten. Nach dem Palast der tausend Stullen mit Ahne und Jan im Baiz vor einigen Wochen, folgten am letzten Sonntag die Beteiligungen an der Reformbühne Heim und Welt und am Mittwoch darauf die Sause Fußball im Prenzlauer Berg. War alles schick und freundlich. In der Freien Internationalen Tankstelle gab es gegenüber dem Fanprojektbetonbungalow mehr Frauen, Musik und allgemeine Heiterkeit, dafür keine after-show-Insel-Kneipe. Nun vielleicht noch als Gast bei der Fibel-Vorstellung zu Tennis Borussia, in einer Besenkammer der Avus-Tribüne oder so, das war´s dann. Und da mich Big Oliver von der jungen Welt letzten Donnerstag per Elektropost fragte, ob ich Fankultur-mäßige 4.000 Zeichen für die entsprechende Beilage am 27. Juli beisteuern kann, habe ich meine 6.000 Zeichen zu TeBe brutal gekürzt. Und am Sonntag geht übrigens die Ausgabe 28 vom tollen Zeitspiel Magazin aus Hannover in den Druck, in dem ich als BFC-Dynamo-Plüsch-Monster hier und da auftauche.

Gestern leider verpasst: Hannelore(Metal/Punk) im Kunstverein Tiergarten. Danke Merkel.

Schnieke

7. Juli 2022

Im diesem Elektropostgespräch rühren Marco und ich die Werbetrommel für die Lesungen am 10. und 13. Juli ´22 in unserem duften Heimatbezirk Big Pankow. Habt zwei Herzen und kommt zu beiden Sausen, den Letzten vor dem nächsten Lockklongdebil.