Ein Leben ohne Facebook ist möglich

9. Juni 2025

Ich habe ein bisschen aufgeräumt, in der heimischen Wohnung, und im weltweiten Netz. Mal den Fußboden und das Bad geschrubbt, und die farbenfrohen Fußballschals aus dem Schrank, die ich sowieso nicht anziehe, lebensklug über dem Schreibtisch angebracht. Trage nämlich nur noch Seidenschärpen. Da kommt Freude auf. Habe den Zettel- und Aktenkram sortiert, und einiges entsorgt. All die Arbeitsverträge aus den Jahren 1789 bis 2024 zum Beispiel. Und als ob mich das Schicksal dafür belohnen wollte, erledigte ein lustiger Fußballkumpan für mich mit einigen gekonnten Klicks den Ämterkram überaus zufriedenstellend. Ich habe mich am Heimcomputer bei Facebook abgemeldet, dort könnt ihr mich mal. Wobei ich diese Abmeldung auf meinem Taschentelefon noch nicht hinbekommen habe. Manchmal düdelt es und signalisiert, wer wessen Kommentar kommentiert hätte. Im Forum des Grauens lese ich die am meisten frequentierten Threads schon lange nicht mehr. Wo BFC Dynamo draufsteht, sollte nicht zu viel Politik drinnen stecken. Seit September 2024 gebe ich mir das nicht mehr, seitdem ich nahezu jede Woche für 30 Minuten zum Klavierunterricht gehe, und den Stoff „zwischen den Stunden“ zu festigen versuche. Ein Vierteljahr gebe ich mir noch diese Tortour, dann will ich das „Lernen lernen“ gelernt haben, mit den kryptischen Anleitungen im Netz und in den Büchern umzugehen wissen. Wie in der Schule damals, erst das Lesen und Schreiben lernen, mich mit Diktaten und Aufsätzen mühen, um irgendwann meinen Kram zu schreiben. Ob ich noch mal einen Roman schreibe? Mir geht es ohne einen derartigen Sackstand einfach zu gut. Hier ist meine Unterklassen-Kolumne für die morgige junge Welt:

Von Lankwitz bis Verden, überall Wunder


Vor knapp zwei Wochen rollten wir zum Aufstiegsrundenknaller an der Adolf-Jäger-Kampfbahn an. Altona 93 empfing vor 4.700 Zuschauern den SV Hemelingen aus Bremen. Blöderweise parkte der Gästespielerbus direkt vor dem Biergarten der Einheimischen, was von den AFC-Anhängern mit einer sensationellen Gelassenheit hingenommen wurde. Seit über zehn Jahren gilt dieser Platz als Parkie, das fällt aber nicht auf, weil in der fünftklassigen S-Bahn-Liga Hamburg niemand mit dem Spielerbus anrückt. Jedenfalls kämpften vier Vereine um einen der ersten beiden Plätze, um in die viertklassige Regionalliga Nord aufzusteigen; neben den Erwähnten waren das noch der Heider SV aus Schleswig-Holstein und der FC Schöningen aus Niedersachsen. Letzterer ging als Zweitplatzierter seiner Staffel ins Rennen, da sich der Hannoverscher SC als Meister bereits qualifiziert hatte. Zwischen dem AFC und dem SVH ging es kampfbetont zur Sache. Zweimal führte die Heimmannschaft, doch kurz vor Schluss fraß man den 2:2-Ausgleich. Einige Tage später nahm das Unglück seinen Lauf, der AFC verlor als namhafter Gruppenfavorit beim Heider SV schmeichelhaft mit 2:1. Der FC Schöningen dagegen hatte mit seinem zweiten Sieg bereits das Aufstiegsticket gelöst. 2:1 gegen Heide, 4:0 in Hemingen. Verrückte Welt. Einen Tag zuvor traf in Berlin-Lankwitz der BFC Preussen auf Eintracht Mahlsdorf. Die Gäste führten knapp in der fünftklassigen Oberliga NOFV-Nord. Ein Unentschieden genügte ihnen für den direkten Aufstieg in die Regionalliga Nordost. In der 95. Spielminute knallte der Fernschuss eines Preussen von der Lattenunterkante auf die Torlinie und von dort aus zurück ins Spielfeld. Der Linienrichter signalisierte per Tatsachenentscheidung auf Tor, auch ein später aufgetauchtes Video sollte den Eindruck vermitteln, der Ball wäre zum 1:0 hinter der Linie gewesen. Nur ein Fake? Auf der Seite vom Postillion gab es ein Foto, auf dem sich der Ball sogar hinter dem Tor befand. Derart eingestimmt, nahmen wir am letzten Mittwoch die Mini-Chance von Altona 93 ins Visier. Am dritten und letzten Spieltag musste auf neutralem Boden in Verden gegen Schöningen gewonnen werden, während Heide in Hamburg gegen Hemelingen eben nicht drei Punkte einfahren durfte. Das Wunder von Verden wurde per 2:0-Sieg bewerkstelligt, während an der Elbe kein Tor fiel. In der kommenden Saison werden in Altona die Gästebusse aus Lübeck, Meppen und Emden müffelnd und protzend vor der Kampfbahn parken. Oh je.

Vinyl und Papier

19. Mai 2025

Alle Achtung! Im Bauchladen von Oi! The Nische gibt es einige Restexemplare des 2014 veröffentlichten Heftchens Knuts Opa war Nazi, sowie der Langspielplatte. Zu meiner Überraschung ließen meine Umland-Freunde auch Postkarten herstellen. Es lebe die Überflussgesellschaft!

Ich bin erst 60

12. Mai 2025

Schon heute wissen, was morgen in der jungen Welt steht. Meine Unterklassen-Kolumne zu den Nordgesichtjackenträgern und so.

Die Saison ist fast vorbei, Zeit für einen Rückblick: Mir wurde während der Fahrten zum Stadion, bzw. von dort nach Hause, dreimal ein Platz in der Bahn angeboten, und zwar am Tag als Hertha BSC gegen den 1. FC Magdeburg spielte. Einmal hinzu, zweimal zurück. Woran lag das? Vielleicht an meiner braunen Jacke und der beige-farbigen Schiebermütze. Die olle Fließjacke hatte ich vor Jahren spontan gekauft, als der Herbst unerwartet in den Sommer knallte. Ein Zehn-Euro-Teil aus der Wühlkiste. Beim Zweitligaspiel hatten wir wieder so´n Wetter: Wolke da, Jacke an; Wolke weg, Jacke aus. Am Alex zugestiegen, war die Bahn schon voll mit Burschen in schwarzen Nordgesichtjacken. Ein Herumlümmelnder musterte mich grinsend. Ich rechnete mit einem Spruch a la: Na, Umland-Opa, besuchst du die Reichshauptstadt? Aber nein, der augenscheinliche Ostkurvenjüngling fragte mich höflich, ob ich sitzen wolle? Ich lehnte dankend ab. Ohne Bier am Hals und in uncooler Jacke, strahlte ich wohl die Würde des Alters aus. Gut zu wissen, wie ich auszusehen habe, falls ich mit der Bahn von Ahrensfelde nach Zehlendorf muss und mir einen Sitzplatz wünsche. Meistens fahre ich mit dem Rad zur Arbeit, von Prenzlauer Berg nach Kreuzberg; nicht nur aus sportlichen Gründen, sondern auch, weil mich der Anblick der Handy-Fratzen in den Bahnen nervt. Dann lieber mit dem Rad durch den Berufsverkehr, wo mich andere Radfahrer rechts überholen wollen, oder mich von links auszubremsen versuchen, um doch bloß an der nächsten Ampel vor mir zu stehen; gerade richtig, für eine Kopfnuss von hinten. Das Spiel ging 1:1 aus, über 60.000 Zuschauer kamen gut damit klar. Auch wegen dem Bierkonsum. Vereint in den Farben, getrennt in der Mundart, oder wie das heißt. Es werden drei, vier Becher gewesen sein, die ich getrunken hatte. Meine Haltungsnoten waren perfekt. Mein Kumpel und ich, wir kommunizierten stehend und lebensfroh. Trotzdem wurde mir ein Sitzplatz angeboten. So viele höfliche blaue Fußballanhänger, keine blöden grünen Radfahrer. Mit der S-Bahnverbindung klappte es nicht so zackig, wie während der Hinfahrt, aber immerhin ging es Richtung Fernsehturm. Westkreuz, Friedrichstraße; Treppe hoch, Treppe runter. Rein in die Bahn, und wieder raus. Ob ich Platz nehmen wolle, fragte mich eine Berliner Fußballbraut. Ich verriet ihr, ich wäre erst 60. Vier Magdeburger hingen in den Seilen, bzw. auf den Sitzen. Eigentlich mussten sie am Zoo raus, wollten sich aber ausruhen, bis Lichtenberg ungefähr. Wir verstanden uns. Niemand skandierte: Wer hier sitzt, ist Magdeburger, hey, hey!

Witz, komm raus!

14. April 2025

Schon heute wissen, was morgen in der jungen Welt steht. Meine Unterklassen-Kolumne zum Relegations-Remmidemmi.

In der Regionalliga Nordost findet sich eine rekordverdächtige Ansammlung an Traditionsvereinen, die einst Landesmeister oder Pokalsieger wurden; mitunter auch beides, womit sie sich für einige Europapokalteilnahmen qualifizierten. Ein derart namhaftes Teilnehmerfeld einer 4. Liga findet sich sonst nirgends auf der Welt. Doch so attraktiv diese Liga mit den Traditionsduellen und Derbys ist, so sehr stecken die großen Vereine aus Thüringen, Sachsen und Berlin auch in ihr fest. Um dem Ganzen noch die Krone aufzusetzen, muss der Nordost-Meister meistens noch in die Relegationsrunde gegen den Tabellenführer der Nord- bzw. Bayern-Staffel. Die Meister des Westens und des Südwestens steigen immer direkt auf, laut eines „mit breiter Mehrheit getroffenen Beschlusses des DFB-Bundestages.“ Dass eine baldige Aufstiegsreform in Kraft tritt, dafür engagieren sich alle Vereine der Regionalliga Nordost, bis auf Viktoria 89. Mitte Mai dürfte es zu den Relegationsspielen zwischen dem TSV Havelse und dem 1. FC Lok Leipzig kommen. Havelse ist ein Ortsteil von Garbsen, gelegen bei Hannover. Anfang der Neunziger rangierte der TSV kurzzeitig in der 2. Bundesliga. Dort will man wieder hin. Derzeit besuchen durchschnittlich 700 Menschen die Spiele im Wilhelm-Langrehr-Stadion in Havelse. Das Areal mit den 3.500 Plätzen liegt an der Hannoverschen Straße, und zwar so dicht wie einst Herthas „Plumpe“ an der Behmstraße im Wedding. Gegen Lok Leipzig will der TSV in der Heinz-von-Heiden-Arena in Hannover spielen, also im Niedersachsenstadion. Im Aufstiegsfall natürlich auch. Das ist nicht lustig. Der TSV verabschiedete sich schon im August aus dem Landespokalwettbewerb, im Viertelfinale beim Ligakonkurrenten TuS Blau-Weiss Lohne. Die Regionalliga Nord führt man nun mit 15 Punkten Vorsprung an. Vorgestern wurde der FC Teutonia 05 mit 2:0 besiegt und der Staffelsieg erreicht. Lok Leipzig ist ausreichend gewarnt, spätestens seit der Saison 2019/20, wo man gegen den SC Verl in der Relegation scheiterte; nach einem 2:2 im Heim- und einem 1:1 im Auswärtsspiel. In der Nordost-Staffel überzeugte Lok letzten Sonnabend beim 4:0 gegen den BFC Dynamo. 5.800 Zuschauern besuchten das altehrwürdige Bruno-Plache-Stadion, welches immerhin noch für 10.000 zugelassen ist. Mit zehn Punkten Vorsprung führt Lok die Tabelle an, vor dem Halleschen FC, der Babelsberg mit 2:0 bezwang. Am morgigen Mittwoch kommt für Leipzig die Mehrbelastung im Landespokal dazu, im Halbfinale beim FC Grimma. Das Hinspiel der Relegation wird im Nordosten ausgetragen, während der Vertreter aus den alten Bundesländern die letzte Chance per Heimrecht bekommt. Das wurde ausgelost, heißt es. Witz, komm raus, du bist umzingelt.

P.S.: Am 15. Mai bin ich bei den Brauseboys im Haus der Sinne zu Gast.

Gott sei Dank nicht in Leipzig

26. März 2025

Fans vergessen nie. Etwas Werbung für drei dufte Bücher.

Stadionbummler Michael Stoffl legt nach seinem Debüt »In 90 Minuten um die Welt« nach mit »Fußballstadt Berlin«. Mit dieser Veröffentlichung dauerte es ewig, weil der Culturcon-Verlag 2023 das Zeitliche gesegnet hatte. Danach ließ Stoffl viel Zeit und viele Nerven bei mindestens zwei weiteren Kleinverlagen, die sich zwar charmant und interessiert zeigten, bald aber alle Kommunikationsgerätschaften verlegt zu haben schienen, was sie mit den Großen der Branche gemeinsam haben. Super.

In Stoffls nunmehr selbst realisiertem Buch »Fußballstadt Berlin« sprechen Autorinnen und Autoren über 13 Berliner und einen Potsdamer Verein. Neben Texten über die Bundesligisten Hertha und Union gibt es welche über den ältesten deutschen Fußballverein, den BFC Germania 1888, sowie über weitere Dauerbrenner des Breitensports, die von vielen Fußballkonsumenten oft nicht mehr für existent gehalten werden, Tasmania, Berliner Athletik-Klub, Füchse Reinickendorf oder Tennis Borussia.

Schreibende Fans schildern Turbulenzen der älteren und jüngeren Vergangenheit, und warum es sie immer noch zu ihrem Verein zieht. Sehr gut, wie Janusz Berthold die krasse Historie des BFC Dynamo mit seiner Fankarriere verwoben hat. Als »Bonzenkind« saß er während seiner ersten Spiele unweit des Ministers für Staatssicherheit auf der Tribüne. Die beginnenden Auswüchse des Hooliganismus nahm er bis zur eigenen Haustür an der damaligen Dimitroffstraße wahr, wo BFC-Fans den Gästen aus Sachsen nachjagten, die jedoch nicht in den Hausflur flüchten konnten, da die Tür von innen zugehalten wurde – von ängstlichen Volkspolizisten.

Das war zu einer Zeit, als es der Mariendorfer Verein Blau-Weiß 90 in die Erste Bundesliga schaffte. Andreas Thome berichtet von der unbefangenen Fannähe der Spieler und unheimlichen Transitreisen durch die DDR zu den Auswärtsspielen. Während seiner Lesungen spricht Thome, Autor von »Heja Blau-Weiß!«, weitestgehend frei, wobei ihm Namen und Zahlen schneller einzufallen scheinen, als er sie aussprechen kann.

Die Bücher hier finden ihre Interessenten auf direktem Wege, bei Lesungen und in Stadien. Verleger und Agenten checken nichts. Als großer Fisch im Teich darf Marco Bertram gelten. Der Webseitenbetreiber, Fotograf und Vielschreiber brachte es auf ein gutes Dutzend Veröffentlichungen zu den Themen Reisen und Fußball, oft unter gänzlich eigener Regie. Mit »Kaperfahrten II« liefert er den zweiten Teil zur Geschichte der Hansa-Rostock-Fanszene ab. Das Buch wiegt 1,9 Kilogramm und beeindruckt mit einer illustren Schau an Devotionalien von 1973 bis 2025; beginnend mit damals eher seltenen Farbfotos der Anhänger, über Abbildungen der Programmhefte und Eintrittskarten bis zu den Kuriositäten aus dem DDR-Alltag.

Bertrams 512-Seiten-Werk startet mit einem süffisanten, mit passenden Zeichnungen garnierten Miniroman. Zwei Freunde unternehmen eine Radtour von Berlin nach Rostock zu einem Spiel von Hansa. Der Einstieg erinnert herzallerliebst an Benno ­Pludras Kinderbuchklassiker »Die Reise nach Sundevit«. Es folgen ausführliche Gespräche mit Trainerurgestein Heinz Werner und einigen Fans. Zwischendurch überrascht Bertram mit Hot Stuff aus dem Ferienlager.

Man muss kein Hansa-Fan sein, um sich auf »Kaperfahrten II« einlassen zu können, das zum Ende hin mit Fotos von unkenntlich gemachten Ultras modernem Quatsch folgt. Dafür ist es auch nur halb so teuer wie ähnlich opulente Veröffentlichungen der Gewinnmaximierungsschwurbler. Die Fanzine-Macher von einst, sie produzieren heute eigene Bücher. Und: Auf keinem der Buchrücken findet sich eine Empfehlung von Eva Seidenweich.

Wir schalten nach Lichtenberg

17. März 2025

Schon heute wissen, was morgen in der jungen Welt steht: Budenzauber im „Zoschke“

In der fünftklassigen NOFV-Oberliga Nord liefern sich der BFC Preussen und SV Lichtenberg 47 ein Kopf-an-Kopf-Rennen um den Aufstieg in die Regionalliga Nordost. Der BFC gewann am Sonnabend gegen Tennis Borussia 4:0. Die 47er, die am Wochenende davor das Bezirksderby bei Sparta 5:1 gewinnen konnten, mussten vorgestern gegen den Tabellenletzten Rostocker FC nachlegen, möglichst mit einem Kantersieg. Der lag förmlich in der Luft, zumal die Rostocker ihr letztes Auswärtsspiel beim Vorletzten, dem SV 1908 Grün-Weiß Ahrensfelde, mit 12:1 verloren hatten. Die bedauernswerten Küstenstädter konnten in den bisherigen 19 Partien keinen einzigen Punkt erringen und verzeichneten bis dato ein Torverhältnis von 6:108. Sie unterlagen auch im letzten Heimspiel gegen TuS Makkabi Berlin mit 0:4. Seitdem der große Sponsor aus dem fernen Afrika kein Geld mehr in den traditionsreichen Rostocker FC fließen lässt, sehnt man den Neustart in der Verbandsliga Mecklenburg-Vorpommern herbei.

Ein Torfestival, ein großes Fressen, lockte fast 700 Zuschauer ins »Zoschke«. Sogar vier tapfere Jugendliche verharrten im Gästekäfig ohne geöffneten Imbiss, fern der heimatlichen Dünen. Und dann noch diese Berliner Luft, die schien seit Tagen smoggeschwängert zu sein. Jedenfalls flogen die Krähen tiefer, und in den Apotheken wurden die Halspastillen knapp. Für die Gäste von der Wasserkante ein zusätzlicher Schock. Bloß raus aus dieser Moloch-Liga, möglichst mit erhobenen Köpfen. Es war von beiden Seiten ein engagiertes Spiel, welches zu über 90 Prozent in der Hälfte der Gäste stattfand. Doch deren auffallend junge Elf gab alles und wird wohl das Gerüst für die kommende Saison stellen, in der man zwischen Neubrandenburg und Schwerin wieder gute Laune und frisyche Luft tanken kann. Außerdem lockt in dieser Umlandliga noch das Derby gegen SV Hafen Rostock.

Jedenfalls konnte Lichtenberg bis zur Pause vier Tore erzielen, doch man hatte auch mindestens so viele Chancen nicht genutzt. Der zweitstärkste Sturm der Liga nahm die schwächste Abwehr unter Dauerbeschuss. Nicht nur der hochaufgeschossene 47er Sebastian »Bobby« Reiniger, der bei Sparta drei Tore erzielte, sorgte permanent für Unruhe. Das Spiel lief jederzeit unterhaltsam und überaus fair über den sattgrünen Rasen. Lichtenberg 47 wollte viele Tore und jagte das runde Leder ab und zu in die Wolken oder gegen das Gebälk. Am Ende stand es nur 6:0. Der Küsten-Keeper hatte sogar zwei Elfmeter halten können und wurde vom Publikum mit Beifall verabschiedet. 47 führt wieder die Tabelle an.

Zu Besuch bei einem aussterbenden Medium

27. Februar 2025

Kommenden Sonntag bin ich auf Alex Radio in Max seiner Sendung Auslesen zu Gast, und zwar ab 16 Uhr für eine volle Stunde. Ich werde wohl zwei, drei Ausschnitte aus meinem Nordost Blues vortragen und mit ihm über dieses Buch reden, das er bestimmt nicht gelesen hat, genau wie 80 Millionen andere Deutsche. Welch flotter Grund, um mit dem Rad die Wahrschauer Straße hoch und runter zu fahren.

Was er alles so sagte

18. Februar 2025

Meine Unterklassen-Kolumne für die heutige junge Welt:

Sonnabend Vormittag. Die Sonne strahlt durch das blau-weiße Himmelsfirmament. Riesige Schneeflocken fallen sanft nieder. Da schlendere ich gerne durch den Park, am Kunstrasenplatz vorbei, zur Kaufhalle. Ich treffe einen mir flüchtig Bekannten, er steht am verschlossenen Eingang des Kreisligaareals und bewundert durch den Zaun hindurch die Decke des etwa elf Zentimeter hohen Neuschnees. „Wat sachste dazu?“, scherze ich ihn an. „Sagen die einfach alle Spiele ab.“ – „Ja, wir sollen zuhause Kinderprogramm kieken, oder Diskussionen mit Wahlkandidaten.“, entgegnet er. Ich antworte: „Ach, so richtich rücken die mit der Sprache sowieso nich raus.“ – „Wer jetze jenau, der Olaf?“, hakt er nach. „Dit kann ick dir sagen, wat der allet jeäußert hat, bei der Party.“ Ich werde neugierig und wende meinen ausschweifenden Blick von der wunderschönen Winterlandschaft ab. Wir sehen einander in unsere von der vorübergehenden Schneeblindheit bedrohten gläsernen Augen. Er entführt mich in die Weiten des Wissens, welches er wohl aus dem Internet hat. „Der Olaf hat jesacht: ,Du Hofnarr, und vor allem och ihr Tempelstufenhocker, da hinten, die ihr euch übert Bankett hermacht. Ihr lebt alle in eurer Spaßblase, habt keen solidet Handwerk jelernt. Ihr Künstler, die ihr in euren Theatern dit ewije Existenzialisten-Jebrabbel vom Staat jefördert bekommen wollt.“ Ich frage dazwischen, ob Olaf echt so scharf berlinert hätte? „Nee, aber ick übersetze glei, damit dit Wesentliche der Party festjehalten wird.“, herrscht er mich an. Wir sehen auf das blütenweiße Sportareal ohne Spieler und ohne Anhänger, dem Traumbild aller Fußballhasser. Mein Kumpel monologisiert flott weiter: „Ihr Hofnarren und Kuschelrocker, die ihr jahrein und jahraus den juten alten Rio Reiser verschlagert, indem ihr einen auf ,Junimond’ und ,Für immer und dich’ macht, anstatt mit Songs wie ,Der Kampf jeht weiter’, ,Menschenfresser’ oder ,Sklavenhändler’ mal einen rauszuhauen. Ihr Dachetagen-Punks, ihr staatlich legitimierten Beutelschneider! Ihr Sprach-Chamäleons, die ihr euch in einijen Internetforen mit den Dümmsten jemein macht, indem ihr deren Rechtschreibfehler wiederholt, um volksnah rüberzukommen. Aber in euren Jewerkschaften, PC-Betrieben, Ämtern und Bildungsstätten, da jendert ihr, die eijene Muttersprache-verachtend, vor euch hin. Ihr Verbots- und Umbenennungs-Fuzzies! Wenn jedoch die Wahlen ein blauet Wunder mit sich bringen, zieht ihr den entsprechenden Mitgliedsantrach aus der Schublade, ihr Putin-Knechte!“ Ich unterbreche ihn: „War er angetrunken? Sympathisch! Bleibt Olaf unser Kanzler?“ Er entgegnet trocken: „Dit willste wissen, deshalb frachste, wa?“- „Ey, jetz is jenuch!“ – „Olaf wohnt in unserm Kiez. Ick wa uff der Party.“ – „Ick jeh einkoofen.“ – „Mach mal. Butter wird knapp.“