Schon heute wissen, was morgen in der jungen Welt steht. Meine Unterklassen-Kolumne zu den Nordgesichtjackenträgern und so.
Die Saison ist fast vorbei, Zeit für einen Rückblick: Mir wurde während der Fahrten zum Stadion, bzw. von dort nach Hause, dreimal ein Platz in der Bahn angeboten, und zwar am Tag als Hertha BSC gegen den 1. FC Magdeburg spielte. Einmal hinzu, zweimal zurück. Woran lag das? Vielleicht an meiner braunen Jacke und der beige-farbigen Schiebermütze. Die olle Fließjacke hatte ich vor Jahren spontan gekauft, als der Herbst unerwartet in den Sommer knallte. Ein Zehn-Euro-Teil aus der Wühlkiste. Beim Zweitligaspiel hatten wir wieder so´n Wetter: Wolke da, Jacke an; Wolke weg, Jacke aus. Am Alex zugestiegen, war die Bahn schon voll mit Burschen in schwarzen Nordgesichtjacken. Ein Herumlümmelnder musterte mich grinsend. Ich rechnete mit einem Spruch a la: Na, Umland-Opa, besuchst du die Reichshauptstadt? Aber nein, der augenscheinliche Ostkurvenjüngling fragte mich höflich, ob ich sitzen wolle? Ich lehnte dankend ab. Ohne Bier am Hals und in uncooler Jacke, strahlte ich wohl die Würde des Alters aus. Gut zu wissen, wie ich auszusehen habe, falls ich mit der Bahn von Ahrensfelde nach Zehlendorf muss und mir einen Sitzplatz wünsche. Meistens fahre ich mit dem Rad zur Arbeit, von Prenzlauer Berg nach Kreuzberg; nicht nur aus sportlichen Gründen, sondern auch, weil mich der Anblick der Handy-Fratzen in den Bahnen nervt. Dann lieber mit dem Rad durch den Berufsverkehr, wo mich andere Radfahrer rechts überholen wollen, oder mich von links auszubremsen versuchen, um doch bloß an der nächsten Ampel vor mir zu stehen; gerade richtig, für eine Kopfnuss von hinten. Das Spiel ging 1:1 aus, über 60.000 Zuschauer kamen gut damit klar. Auch wegen dem Bierkonsum. Vereint in den Farben, getrennt in der Mundart, oder wie das heißt. Es werden drei, vier Becher gewesen sein, die ich getrunken hatte. Meine Haltungsnoten waren perfekt. Mein Kumpel und ich, wir kommunizierten stehend und lebensfroh. Trotzdem wurde mir ein Sitzplatz angeboten. So viele höfliche blaue Fußballanhänger, keine blöden grünen Radfahrer. Mit der S-Bahnverbindung klappte es nicht so zackig, wie während der Hinfahrt, aber immerhin ging es Richtung Fernsehturm. Westkreuz, Friedrichstraße; Treppe hoch, Treppe runter. Rein in die Bahn, und wieder raus. Ob ich Platz nehmen wolle, fragte mich eine Berliner Fußballbraut. Ich verriet ihr, ich wäre erst 60. Vier Magdeburger hingen in den Seilen, bzw. auf den Sitzen. Eigentlich mussten sie am Zoo raus, wollten sich aber ausruhen, bis Lichtenberg ungefähr. Wir verstanden uns. Niemand skandierte: Wer hier sitzt, ist Magdeburger, hey, hey!