Kommenden Sonntag bin ich auf Alex Radio in Max seiner Sendung Auslesen zu Gast, und zwar ab 16 Uhr für eine volle Stunde. Ich werde wohl zwei, drei Ausschnitte aus meinem Nordost Blues vortragen und mit ihm über dieses Buch reden, das er bestimmt nicht gelesen hat, genau wie 80 Millionen andere Deutsche. Welch flotter Grund, um mit dem Rad die Wahrschauer Straße hoch und runter zu fahren.
Archiv des Autors: Andreas
Was er alles so sagte
Meine Unterklassen-Kolumne für die heutige junge Welt:
Sonnabend Vormittag. Die Sonne strahlt durch das blau-weiße Himmelsfirmament. Riesige Schneeflocken fallen sanft nieder. Da schlendere ich gerne durch den Park, am Kunstrasenplatz vorbei, zur Kaufhalle. Ich treffe einen mir flüchtig Bekannten, er steht am verschlossenen Eingang des Kreisligaareals und bewundert durch den Zaun hindurch die Decke des etwa elf Zentimeter hohen Neuschnees. „Wat sachste dazu?“, scherze ich ihn an. „Sagen die einfach alle Spiele ab.“ – „Ja, wir sollen zuhause Kinderprogramm kieken, oder Diskussionen mit Wahlkandidaten.“, entgegnet er. Ich antworte: „Ach, so richtich rücken die mit der Sprache sowieso nich raus.“ – „Wer jetze jenau, der Olaf?“, hakt er nach. „Dit kann ick dir sagen, wat der allet jeäußert hat, bei der Party.“ Ich werde neugierig und wende meinen ausschweifenden Blick von der wunderschönen Winterlandschaft ab. Wir sehen einander in unsere von der vorübergehenden Schneeblindheit bedrohten gläsernen Augen. Er entführt mich in die Weiten des Wissens, welches er wohl aus dem Internet hat. „Der Olaf hat jesacht: ,Du Hofnarr, und vor allem och ihr Tempelstufenhocker, da hinten, die ihr euch übert Bankett hermacht. Ihr lebt alle in eurer Spaßblase, habt keen solidet Handwerk jelernt. Ihr Künstler, die ihr in euren Theatern dit ewije Existenzialisten-Jebrabbel vom Staat jefördert bekommen wollt.“ Ich frage dazwischen, ob Olaf echt so scharf berlinert hätte? „Nee, aber ick übersetze glei, damit dit Wesentliche der Party festjehalten wird.“, herrscht er mich an. Wir sehen auf das blütenweiße Sportareal ohne Spieler und ohne Anhänger, dem Traumbild aller Fußballhasser. Mein Kumpel monologisiert flott weiter: „Ihr Hofnarren und Kuschelrocker, die ihr jahrein und jahraus den juten alten Rio Reiser verschlagert, indem ihr einen auf ,Junimond’ und ,Für immer und dich’ macht, anstatt mit Songs wie ,Der Kampf jeht weiter’, ,Menschenfresser’ oder ,Sklavenhändler’ mal einen rauszuhauen. Ihr Dachetagen-Punks, ihr staatlich legitimierten Beutelschneider! Ihr Sprach-Chamäleons, die ihr euch in einijen Internetforen mit den Dümmsten jemein macht, indem ihr deren Rechtschreibfehler wiederholt, um volksnah rüberzukommen. Aber in euren Jewerkschaften, PC-Betrieben, Ämtern und Bildungsstätten, da jendert ihr, die eijene Muttersprache-verachtend, vor euch hin. Ihr Verbots- und Umbenennungs-Fuzzies! Wenn jedoch die Wahlen ein blauet Wunder mit sich bringen, zieht ihr den entsprechenden Mitgliedsantrach aus der Schublade, ihr Putin-Knechte!“ Ich unterbreche ihn: „War er angetrunken? Sympathisch! Bleibt Olaf unser Kanzler?“ Er entgegnet trocken: „Dit willste wissen, deshalb frachste, wa?“- „Ey, jetz is jenuch!“ – „Olaf wohnt in unserm Kiez. Ick wa uff der Party.“ – „Ick jeh einkoofen.“ – „Mach mal. Butter wird knapp.“
Zeckt noch
Wenn man mit dem junge-Welt-Chefredakteur um die Häuser zieht, lässt man sich nach dem soundsovielten Bier darauf ein, einen kleinen Artikel über einen Freitagabend in Berlin zu schreiben. Ist doch prima. Wenn auch mit einigen Lücken in der Presse: Einige Mitstreiter der Band werden nicht erwähnt, die Parocktikum-Session-LP auch nicht, und die Neuformierung vor einigen Jahren sowieso nicht. Aber immerhin das hier:
Als die alten Rockhelden der späten ´70er und frühen ´80er aus der kleinen DDR und der weiten Welt plötzlich auf diesen nervend-klaren Sound mit Electro Drums und ähnlichem umrüsteten, galt einmal mehr, englische Bands in klassischen Besetzungen zu entdecken: The Smiths, The Fall, The Wedding Present. Auch in der DDR zog der Postpunk ein. 1984 gingen die anderen an den Start, mit flotter Musik, die an The Specials erinnerte. Alsbald brachten sie ihr Werk „Berlin Radio“ unter das Volk, gefolgt von „Global Minded“ – jeweils als Kassette. Darauf fanden sich frische Songs, die in die Beine gingen, mit deutsch-englischen Texten, dazu ein fesches Saxofon. Der umtriebige Frontmann „Toster“ schob im Laufe der Jahre einige Projekte mit an, ohne letzten Endes darin mit seiner Band aufzutauchen; ob beim Kino-Film „flüstern und schreien“ (1988) oder auf dem Schallplatten-Sampler „Kleeblatt Nr. 23 die anderen bands“. Dort tauchten Bands auf, die als die jungen Wilden wahrgenommen wurden, als Teil der neuen Gruppierung die anderen Bands. Dass von den eher unfreiwilligen Namensgebern um Olaf Tost, Anja Schiebold und Stefan Schüler letztlich nur der Song „Gelbe Worte“ auf dem Parocktikum-Sampler verewigt wurde, lag an der Konsequenz, sich vom Label Amiga nicht in die Texte reinreden zu lassen. Im Dezember 1989 löste sich die Band so unvermittelt wie lautlos auf. Für den gestählten Konzertgänger waren die anderen oft zu erleben gewesen. Ob im Haus der jungen Talente, unten im Keller, wo man sich dichtgedrängt unter dem wissenden Völkchen wähnen durfte, oder auch im Palast der Republik, wo es einmal jährlich die Veranstaltung Jugend im Palast gab. Letzteren Auftritt sollen einige Fans der Band etwas übelgenommen haben. Na und? So mancher Konzertgänger dürfte diese Veranstaltungen dort als kleine Palastrevolten in Erinnerung behalten haben. Die Ordnerinnen und Ordner hatten permanent damit zu tun, die schrägen Jugendlichen an die Hausordnung zu erinnern, nicht nur als einige Fans beim Auftritt von Tina has never had a teddybear die Bühne stürmten. Ist doch immer gut, wenn die Jugend in einem der Politpaläste derartigen Terz veranstaltet. Jedenfalls kam es am letzten Freitagabend im Roadrunners Paradies in Prenzlauer Berg zu einer Art Klassentreffen von Musikern, Radio-Moderatoren und Fans. Der feierliche Anlass war kein geringerer als die Veröffentlichungen der Werke „Berlin Radio“ und „Global Minded“ als Vinylschnitten, vertrieben über Buschfunk. Demnach erschien das Debüt mit den Dauerbrennern „Berlin“ oder „Pauls Hochzeit“ mit fast 40jähriger Verspätung. Im wunderbaren Beiheft kommen unterschiedliche Mitstreiter zu Wort. Die Musik zeckt immer noch an. Wehmut ist fehl am Platz. Und auch wenn sich Olaf und Anja am letzten Freitagabend nicht im ausverkauften Hause sehen ließen, so soll der Ex-Trommler Jens „Jaye“ Müller extra von den Philippinen angereist sein. Es war eine würdige Veröffentlichungsfeier, bei der die alten Weggefährten von Tausend Tonnen Obst, Key Pankonin & Band und Rosa Beton fröhlich-derb aufspielten.
1980 war nicht alles gut
Es ist schon einige Monate her, dass mich von einem gewissen Chriz die Anfrage für einen Beitrag erreichte. In seinem Fußballfanzine sollte es schwerpunktmäßig um ein besonderes Spiel der Saison 2023/24 gehen. Ein vereins- und ligenübergreifender Rückblick also. Neulich kam die Mail, dass Heft sei fertig. Ich wusste schon gar nicht mehr, was ich dazu beigetragen hatte. Doch siehe da, mit „Zwischen den Bundesligastadien und den Friedhöfen“ hatte ich einen Text geschrieben, in dem es um die tolle Kreisliga geht. Ähnliche Randthemen kommen von einigen üblichen und unüblichen Schreibern. Altona-Jan schreibt über Frauen-Fußball in Estland. Das Heft heißt „United“, ist layout-mäßig in den ´90ern hängengeblieben und hat ein schönes Rundum-Cover, ne Zeichung vom Rudolf-Kalweit-Stadion, also von Arminia Hannover. Jedem Exemplar liegt eine liebevoll gestaltete Eintrittskarte eines einstigen Spiels der Arminen bei. Kann man bestimmt für wenig Geld über chrizat42zines.de beziehen. Für das zweite Rückrundenheimspiel des BFC Dynamo, am 14. Februar gegen FSV Luckenwalde, rechne ich mit dem Verkaufsstart des Fanzines „Der Pionier“ Nummer 2. Von mir gibt es darin einen Rückblick zu den EC-Spielen gegen Nottingham Forest, damals 1980. Kontakt: redaktionatbandainvicta.de
Tipp für heute: Zuhause bleiben. Nicht zum Testkick zwischen SV Empor Berlin und BFC Dynamo gehen.
Endlich 60 Jahre und vier Tage
Meine Geburtstagfeier am Freitag dem 17. war ziemlich super. So einige Gäste aus dem Kreis der Familie und der Fußball- und Skin-Senioren ließen sich im Freudenhaus sehen. Eine gute Mischung, behaupte ich. Alle Weggefährten einzuladen, davor hatte ich Bammel, und das Freudenhaus ist mit 30 bis 40 Leuten auch gut gefüllt. Gruß und Dank an die musikalischen Gäste Jan von Im Ich, Frank und Martini von Turbolover, dem singenden Bar-Mann Falko, sowie dem spontan auftretenden Ahne und dem Überraschungsgast Sedlmeir. Und natürlich an alle, die da waren. Es war schnieke. Ich habe zumindest nichts gegenteiliges gehört. Zu Essen gab es jede Menge, mein lieber Scholli. Grandios, wie die Menschen mitmachen, wenn man sich einen Beitrag für´s Buffet wünscht. Gegen 3 Uhr musste ich den letzten Gästen ne Packung Wiener, Knabberzeug und ähnliches aufdrücken. Ansonsten wollte ich nichts geschenkt bekommen, bitte. Ich bin in einem Alter, in dem ich nicht mehr so verbissen sammele, sondern gern was weitergebe. Hat nicht geklappt, die Leute kamen auch mit Geschenken. Zum Glück hatte ich eine Ikea-Tasche bei, so eine große Blaue, die man erstmal aufhebt, ohne zu wissen, wofür. Darin waren während der Rücktour zehn Flaschen mit Whiskey, Sekt, Wein und exotischem Bier aus Fürstenwalde, sowie Schallplatten, Kassetten, Bücher. Bin mit Taxi nach Hause, aber die hundert Meter bis zur Haustür, und dann die vier Stockwerke hoch, die merkte ich am 18. Januar etwas im Rücken. Ziep, ziep. Am 19. war das Dilemma vergessen, beziehungsweise überschattet vom Schüttelhusten ohne Auswurf. Also ab zum Doc. Für drei Tage krankschreiben lassen. Nein, nicht ne ganze Woche. Die Kolleginnen sind nett, die Arbeit ist geil. Habe übrigens so einige Konzertkarten geschenkt bekommen. Werde im aktuellen Lebensjahr mindestens viermal weggehen. Nur mal so, weil mich schon vor zwei, drei Jahren eine Madame fragte, wie das so ist, wenn man so alt ist. Tja, immer dasselbe machen, ab und zu Gymnastik, mit angemessenen Pausen. Es war eine flotte Party. Der Bar-Mann und mein Neffe sind auch erkrankt, und die Oranienburger haben mehrere Sachen vergessen. Meine Erkältung klingt übrigens ab, ich kann im Gegensatz zu gestern wieder solche textlichen Meilensteine schreiben.
Tipp für demnächst: Partys im Freudenhaus veranstalten.
Als es noch feste Winterschuhe gab
Meine jW-Unterklassen-Kolumne von heute:
Vor Jahrzehnten, zum Beginn meiner Fanlaufbahn, konnte ich eine Winterpause der Fußballiga kaum aushalten, diese schier endlose Zwischen-den-Jahren-Tristesse. Und mochte Anfang Januar der schulische Stress mit der Russisch-Chemie-Physik-Pein weitergehen, immerhin würde somit auch bald der Oberligaball weiterrollen. Die Zeiten zwischen den Spieltagen verkürzten sich auf ein erträgliches Maß. Dem Jubel oder der Trauer vom vorgestern folgten die Chancen auf weiteren Zauber der Tore, Punkte und Tabellen von übermorgen. Und wenn der Frühling einzog, ging es sogar mit den Europapokalspielen unter der Woche weiter, wie schön. Doch noch hatten wir den Januar auszuhalten, in dem der Schnee entweder knöchel- und knie-hoch lag oder nur der Schneematsch übriggeblieben war, mit dem wir uns gegenseitig bis über die Gürtellinie bespritzten. Immerhin besaß man damals als Jugendlicher noch richtige Winterschuhe.
Heutzutage gibt es kaum noch Schnee- und Winterschuhe. Viele junge Leute tragen das ganze Jahr über Turnschuhe und sind dauernd verschnupft. Damals stand man in schweren Mauken zum Rückrundenbeginn wieder im verschneiten Stadion; etwa Mitte Februar, gefühlt Anfang Januar. In der B. Z. am Abend wurden die Anhänger dazu aufgerufen, am Vormittag der Partie den Rasen einigermaßen von der Schneedecke zu befreien. Es gebe auch eine Bockwurst mit Schrippe. Während des Spiels haben wir voll abgefroren und gelacht: Haha, in Russland ist es noch kälter! Und natürlich wurde gewonnen, gegen Chemie Böhlen oder Stahl Riesa, gegen Betriebssportgemeinschaften aus Städten, wo man ohne Beziehungen keine festen Winterschuhe bekam, weshalb die Menschen dort in Arbeitsschuhen aus dem Haus gingen. Am Montag stand im Neuen Deutschland, dass der Spielbetrieb dank der ND-Initiative aufrechterhalten werden konnte, aber egal, das ND wurde von den Fans nicht gelesen.
Heutzutage finden im Januar kaum noch Fußballveranstaltungen statt. Unterhalb der Bundesligen gibt es eine zehnwöchige Winterpause. Und wenn irgendwo Schnee zu fallen droht, pausiert man ein Vierteljahr. Der Verband lässt verlautbaren, alle Plätze ständen unter Wasser oder seien vereist, seien unbespielbar und eine Gefahr für Leib und Leben. Ich habe gelernt, damit klarzukommen. Mein Verein hängt ohnehin seit Jahren im gefühlten Mittelfeld der Regionalliga fest, er rangiert mein gesamtes Nachwendeleben in einer der Unterklassen. Ich lasse den Januar vorbeiziehen und zappe mich, in Hausschuhen vor dem Fernseher oder dem Heimcomputer sitzend, durch das internationale Fußballligenpotpourri. Mag auch in England immer der Ball rollen und in den USA permanent jedes Kaufhaus geöffnet sein, bei uns wurde halt alles abgesagt und hat geschlossen. Das sind keine Gründe, die Faschisten zu wählen.
Übernachtungstipp …
… for the night from 31.12. to 1.1.: Hoolywood, Schönhauser Allee 44, Börlin. Der Laden macht dort dicht, und der eine oder andere von uns wird es während dieser Abrissparty auch sein. Warum nicht mal alle fünf Jahre Silvester feiern? Ahne, Chic (angefragt), ick und einige Ü-DJs legen Vinyl auf.
22 1/3 Jahre Schmachwanderunk
Vor vielen Monaten fragte mich Oi! The Max, ob Ahne und ich was zur Schmachwanderunk-Tribute-LP beitragen wollen? Na, da fühlte sich unsereiner doch geehrt. Aber auch qualifiziert? So viel hatte zumindest ich mit dieser Lausitzer Punkband auch nicht zu tun. Einmal live gesehen, na gut, natürlich in Schmachtenhagen, als man in Berlin noch mit sauberer Maske und aktuellem Test unterwegs zu sein hatte, während im Umland schon wieder der Oberkörper-frei-Pogo zelebriert wurde. Herangetraut haben wir uns schließlich an die Endlosschunkelnummer „Borsig“, wobei unser Gesang von Ahnes Tochter Julika per Ukulele zusammengehalten wurde. Mein Part, naja. Zwischenzeitlich war es still um den Produktionsprozess. Ich war nicht traurig. Doch Mitte November gab es in Senftenberg die große Sause zur LP-Veröffentlichung, wohl sogar als Überraschung für die Band. Hat gefetzt, mit 40 Oranienburgern & Berlinern per Bus nach Senfte hin und zurück zu tuckeln. Konsum hieß der Laden. Drinnen gespielt haben auch Burley Bastards, Fummelbrigade 81 und Jacke wie Hose. Wir haben alle mutigen Musiker prinzipiell gefeiert. Gab auch dauernd Schnaps. Nur die Bockwurst machte mich irre, ich hatte sogar vergessen, mir ein Beleg-Ex zu krallen. Nun ist diese Vinylschnitte in 300er Auflage über Oi! The Bauchladen zu beziehen. Tribute to Schmachwanderunk – Brathuhnpunk vom Dorf. Schönes Ding, die Platte, der eine rekordverdächtige Anzahl an Gimmicks beiliegen. Musikalisch mit dabei sind noch Lord James, Boigrub and many more; allerdings keene weiteren Poeten, höhö.
