Sie waren einfach nicht von uns

4. August 2025

Meine Unterklassen-Kolumne für die junge Welt von morgen:

Ich wurde 1965 in Berlin geboren, unweit vom einstigen Exerzierplatz der preußischen Armee, aber ich schaffte es bisher noch nie, ein Spiel der seit den 1930ern nahezu alljährlich ausgetragenen Bezirksmeisterschaft in Prenzlauer Berg bzw. Pankows zu besuchen. Es geht um den traditionsreichen Exer-Pokal. Immerhin jagten wir dort selbst dem Ball nach, auf dem Falkplatz, oder auf einem der nahen Empor-Areale. Wir waren Straßenfußballer und Schulfreunde aus dem Meisterkiez, rund um dem Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark. Zum Leidwesen unserer Eltern spielten wir auch in den teuren Straßenschuhen auf der Stoppelwiese nahe der Mauer, und nahmen die Lederpflaume voll Pieke. Es kam vor, dass unser Ball über das umstrittene Bauwerk gen Wedding flog, und wenig später von einem Grenzsoldaten zurückbefördert wurde, oder auch nicht. Unsere Spiele endeten oft abrupt. Denn auch wenn wir als Hortkinder der 7. Oberschule untereinander sportlich und fair agierten, so brisant konnte es werden, wenn einige Jungs der Nachbarschule, der 8. POS, sich in unser Spielgeschehen integrieren lassen wollten. Tja, schwierig. Wenn wir sie einfach vertrieben, kamen wenig später doppelt so viele angestürmt. Plötzlich purzelten zwei Mannschaften der 7. und eine Zuschauertruppe der 8. POS durcheinander. Die Typen der Nachbarschule waren einfach nicht von uns, und die vom Kollwitzplatz sowieso nicht. Gegen die musste der Falkplatz, bzw. der Exer, zusammenhalten. Und im Ferienlager hatten die Jungs vom Prenzlauer Berg was gegen die aus Weißensee. Lange Rede, kurzer Sinn: Warschauer Pakt gegen NATO. Deshalb stand die Mauer. Die Ergebnisse unserer Spiele wurden in keiner Statistik verewigt. Doch wir lernen, die Lederpflaume einigermaßen kontrolliert mit dem Voll- oder Innenspann zu nehmen. Und wir rannten nicht gleich weg, wenn die hässlichen Sitzenbleiber aus der 8. POS einen auf Black-Sabbath-Army machten. Heutzutage bleibe ich beim Tai-Chi. Zumal ich Altersgenossen kenne, die abwechselnd wegen dem linken oder rechten Knie auf den OP-Tisch müssen. Einige Freunde und Bekannte leben nicht mehr. Jedenfalls fand der Großteil der diesjährigen Spiele um den Exer-Pokal schon statt. In der Vorrunde der A- und B-Gruppe mit je fünf Vereinen wurden die Halbfinalisten ermittelt. Am heutigen Dienstag trifft ab 19 Uhr der SV Blau-Gelb auf Rotation Prenzlauer Berg. Morgen spielen zur selben Zeit der SV Empor II und Pfeffersport gegeneinander. Am Freitag findet ab 19 Uhr das kleine Finale statt, und am Sonnabend steigt ab 15 Uhr das Endspiel. Niemand in Groß-Pankow soll sagen, er hätte es nicht gewusst. Gespielt wird auf dem engen Tesch-Platz, inmitten der Gründerzeitbauten an der Dunckerstraße. Der Eintritt beträgt jeweils 3 Euro. Das Wetter wird so spannend wie die Spiele.

Stell dich an, aber nicht hinten

7. Juli 2025

Ich behaupte: Ein Dutzend Rod-Stewart-Platten gehören in jeden Haushalt, egal ob Rod The Mod als Small oder Big Face oder Solo daherkommt. Bei mir finden sich zehn Alben. Seine letzte dufte Solo-LP ist für mich die „Foolish Behaviour“ von 1980. Danach ging er mir mit Baby Jane und ähnlichem auf den Sack. Das beste am Sommerhit Baby Jane war, dass am Orankesee zwei Freundinnen, mit denen ich auf einer Decke flegelte, so schön mitsangen. 1983, als ich noch ne ähnliche Frisur wie Rod hatte. Messerformschnitt, free version. Nun ja, meine Unterklassen-Kolumne:

Nach der Saison ist vor der Saison, und dazwischen gibt es so einige Testspiele. Vergangenen Sonnabend kam es im Sportforum Hohenschönhausen zum Derby zwischen dem Berliner FC Dynamo und Hertha BSC. Das Spannendste war vorab, wie es mit dem Kartenvorverkauf für das DFB-Pokalspiel zwischen dem BFC und dem VfL Bochum klappen würde. Deshalb rückten viele Fans für das Testspiel, was für 17 Uhr angesetzt worden war, schon gegen 14 Uhr 30 an, weil um diese Zeit die Tageskasse öffnete, und man ab 15 Uhr ins Stadion gelassen wurde, wo am Fan-Artikelstand um einiges später ein tapferer Fan-Betreuer die heißen Tickets gegen große Scheine einzutauschen begann. Only cash, please. „Zwölf Karten hätt´ ick jerne, macht 300 Euro.“ – „Richtich.“ – „Bitte.“ – „Danke.“ Na war doch einfacher als in den ´80ern, wo es galt, an Europapokalkarten zu kommen. Gleich nach mir machte der Tapfere die Kasse kurz zu, denn die ersten Tausender mussten umgebunkert werden. Niemand murrte herum. Erstmal ein Bier im Vereinsheim ziehen, aber welch Schreck, auch hier standen sie wie irre an. Allerdings vor der spontan arrangierten zweiten Kartenkasse, nicht vor den Zapfhähnen. Prima. Es herrschte Disziplin. Kaum jemand drängelte sich vor, getreu der Losung: „Stell dich an, aber nicht hinten!“ Nur noch eine Stunde bis zum Anpfiff bei bestem Biergartenwetter, inmitten des gemischten Publikums. Weinrot-Weiß-Blau. BFC und Hertha, da gibt es keine kollektive Fan-Freundschaft, aber eine friedliche Koexistenz. „Wie wenn de als Blueser mal zum Jazz oder Metal jehst.“ – „Da sind halt andre Leute, die merken, du bist neu.“ – „Bloß keen übertriebenet Jewese.“ Ich überlegte kurz, ob ich den Herthanern an unserem Tisch, den Kauf meiner drei Bochum-Tickets offerieren solle, die ich geordert hatte, ohne genau zu wissen, für welchen meiner dynamischen Freunde genau. Denn viele haben es mit dem Vorverkauf nicht so drauf. Dafür wissen sie mit Computer-Problemen und ähnlich gruseligem Scheiß umzugehen. Doch kaum hatte ich das gedacht, sprach ein Herthaner, er würde sich jetzt nach Pokal-Karten anstellen. Na bitte. Das Karten-kaufen dauerte inzwischen nur unwesentlich länger als das Bier-besorgen. Das anstehende Spiel sollte in wenigen Minuten beginnen. Was durfte man erwarten? Der BFC trat mit einer nahezu neuen Mannschaft an, bei Hertha hielt sich die Fluktuation in Grenzen. Würden die Gastgeber wieder mit einem 0:2 davonkommen, wie vor zwei Jahren? Damals fand das Spiel vor 10.000 Zuschauern im inzwischen abgerissenen großen Stadion im Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark statt, wo derzeit eine „Baustelle“ dem Abwirtschaften des hauptstädtischen Fußballsports gedenkt. Das Stadion im Sportforum ist wiederum nur für 4.000 Zuschauer zugelassen. Ob überhaupt so viele kommen würden? Im Vorfeld war etwas Unmut aufgrund des Preises aufgekommen. So einige Fans verzichteten. „Ey, 20 Euro fürn Testspiel.“ – „Hm, naja.“ – „Lass uns langsam rüber zur Jejenjerade loofen.“

P.S.: Der BFC Dynamo unterlag Hertha BSC 0:6 (0:1) vor offiziell 3.917 Zuschauern.

Lest die Berliner Zeitung

18. Juni 2025

Hier mal ein kurzweiliges Gespräch zwischen zwei Männern. Rund 80 Minuten über einige Medien, mit und ohne Meinung.

Ein Leben ohne Facebook ist möglich

9. Juni 2025

Ich habe ein bisschen aufgeräumt, in der heimischen Wohnung, und im weltweiten Netz. Mal den Fußboden und das Bad geschrubbt, und die farbenfrohen Fußballschals aus dem Schrank, die ich sowieso nicht anziehe, lebensklug über dem Schreibtisch angebracht. Trage nämlich nur noch Seidenschärpen. Da kommt Freude auf. Habe den Zettel- und Aktenkram sortiert, und einiges entsorgt. All die Arbeitsverträge aus den Jahren 1789 bis 2024 zum Beispiel. Und als ob mich das Schicksal dafür belohnen wollte, erledigte ein lustiger Fußballkumpan für mich mit einigen gekonnten Klicks den Ämterkram überaus zufriedenstellend. Ich habe mich am Heimcomputer bei Facebook abgemeldet, dort könnt ihr mich mal. Wobei ich diese Abmeldung auf meinem Taschentelefon noch nicht hinbekommen habe. Manchmal düdelt es und signalisiert, wer wessen Kommentar kommentiert hätte. Im Forum des Grauens lese ich die am meisten frequentierten Threads schon lange nicht mehr. Wo BFC Dynamo draufsteht, sollte nicht zu viel Politik drinnen stecken. Seit September 2024 gebe ich mir das nicht mehr, seitdem ich nahezu jede Woche für 30 Minuten zum Klavierunterricht gehe, und den Stoff „zwischen den Stunden“ zu festigen versuche. Ein Vierteljahr gebe ich mir noch diese Tortour, dann will ich das „Lernen lernen“ gelernt haben, mit den kryptischen Anleitungen im Netz und in den Büchern umzugehen wissen. Wie in der Schule damals, erst das Lesen und Schreiben lernen, mich mit Diktaten und Aufsätzen mühen, um irgendwann meinen Kram zu schreiben. Ob ich noch mal einen Roman schreibe? Mir geht es ohne einen derartigen Sackstand einfach zu gut. Hier ist meine Unterklassen-Kolumne für die morgige junge Welt:

Von Lankwitz bis Verden, überall Wunder


Vor knapp zwei Wochen rollten wir zum Aufstiegsrundenknaller an der Adolf-Jäger-Kampfbahn an. Altona 93 empfing vor 4.700 Zuschauern den SV Hemelingen aus Bremen. Blöderweise parkte der Gästespielerbus direkt vor dem Biergarten der Einheimischen, was von den AFC-Anhängern mit einer sensationellen Gelassenheit hingenommen wurde. Seit über zehn Jahren gilt dieser Platz als Parkie, das fällt aber nicht auf, weil in der fünftklassigen S-Bahn-Liga Hamburg niemand mit dem Spielerbus anrückt. Jedenfalls kämpften vier Vereine um einen der ersten beiden Plätze, um in die viertklassige Regionalliga Nord aufzusteigen; neben den Erwähnten waren das noch der Heider SV aus Schleswig-Holstein und der FC Schöningen aus Niedersachsen. Letzterer ging als Zweitplatzierter seiner Staffel ins Rennen, da sich der Hannoverscher SC als Meister bereits qualifiziert hatte. Zwischen dem AFC und dem SVH ging es kampfbetont zur Sache. Zweimal führte die Heimmannschaft, doch kurz vor Schluss fraß man den 2:2-Ausgleich. Einige Tage später nahm das Unglück seinen Lauf, der AFC verlor als namhafter Gruppenfavorit beim Heider SV schmeichelhaft mit 2:1. Der FC Schöningen dagegen hatte mit seinem zweiten Sieg bereits das Aufstiegsticket gelöst. 2:1 gegen Heide, 4:0 in Hemingen. Verrückte Welt. Einen Tag zuvor traf in Berlin-Lankwitz der BFC Preussen auf Eintracht Mahlsdorf. Die Gäste führten knapp in der fünftklassigen Oberliga NOFV-Nord. Ein Unentschieden genügte ihnen für den direkten Aufstieg in die Regionalliga Nordost. In der 95. Spielminute knallte der Fernschuss eines Preussen von der Lattenunterkante auf die Torlinie und von dort aus zurück ins Spielfeld. Der Linienrichter signalisierte per Tatsachenentscheidung auf Tor, auch ein später aufgetauchtes Video sollte den Eindruck vermitteln, der Ball wäre zum 1:0 hinter der Linie gewesen. Nur ein Fake? Auf der Seite vom Postillion gab es ein Foto, auf dem sich der Ball sogar hinter dem Tor befand. Derart eingestimmt, nahmen wir am letzten Mittwoch die Mini-Chance von Altona 93 ins Visier. Am dritten und letzten Spieltag musste auf neutralem Boden in Verden gegen Schöningen gewonnen werden, während Heide in Hamburg gegen Hemelingen eben nicht drei Punkte einfahren durfte. Das Wunder von Verden wurde per 2:0-Sieg bewerkstelligt, während an der Elbe kein Tor fiel. In der kommenden Saison werden in Altona die Gästebusse aus Lübeck, Meppen und Emden müffelnd und protzend vor der Kampfbahn parken. Oh je.

Vinyl und Papier

19. Mai 2025

Alle Achtung! Im Bauchladen von Oi! The Nische gibt es einige Restexemplare des 2014 veröffentlichten Heftchens Knuts Opa war Nazi, sowie der Langspielplatte. Zu meiner Überraschung ließen meine Umland-Freunde auch Postkarten herstellen. Es lebe die Überflussgesellschaft!

Ich bin erst 60

12. Mai 2025

Schon heute wissen, was morgen in der jungen Welt steht. Meine Unterklassen-Kolumne zu den Nordgesichtjackenträgern und so.

Die Saison ist fast vorbei, Zeit für einen Rückblick: Mir wurde während der Fahrten zum Stadion, bzw. von dort nach Hause, dreimal ein Platz in der Bahn angeboten, und zwar am Tag als Hertha BSC gegen den 1. FC Magdeburg spielte. Einmal hinzu, zweimal zurück. Woran lag das? Vielleicht an meiner braunen Jacke und der beige-farbigen Schiebermütze. Die olle Fließjacke hatte ich vor Jahren spontan gekauft, als der Herbst unerwartet in den Sommer knallte. Ein Zehn-Euro-Teil aus der Wühlkiste. Beim Zweitligaspiel hatten wir wieder so´n Wetter: Wolke da, Jacke an; Wolke weg, Jacke aus. Am Alex zugestiegen, war die Bahn schon voll mit Burschen in schwarzen Nordgesichtjacken. Ein Herumlümmelnder musterte mich grinsend. Ich rechnete mit einem Spruch a la: Na, Umland-Opa, besuchst du die Reichshauptstadt? Aber nein, der augenscheinliche Ostkurvenjüngling fragte mich höflich, ob ich sitzen wolle? Ich lehnte dankend ab. Ohne Bier am Hals und in uncooler Jacke, strahlte ich wohl die Würde des Alters aus. Gut zu wissen, wie ich auszusehen habe, falls ich mit der Bahn von Ahrensfelde nach Zehlendorf muss und mir einen Sitzplatz wünsche. Meistens fahre ich mit dem Rad zur Arbeit, von Prenzlauer Berg nach Kreuzberg; nicht nur aus sportlichen Gründen, sondern auch, weil mich der Anblick der Handy-Fratzen in den Bahnen nervt. Dann lieber mit dem Rad durch den Berufsverkehr, wo mich andere Radfahrer rechts überholen wollen, oder mich von links auszubremsen versuchen, um doch bloß an der nächsten Ampel vor mir zu stehen; gerade richtig, für eine Kopfnuss von hinten. Das Spiel ging 1:1 aus, über 60.000 Zuschauer kamen gut damit klar. Auch wegen dem Bierkonsum. Vereint in den Farben, getrennt in der Mundart, oder wie das heißt. Es werden drei, vier Becher gewesen sein, die ich getrunken hatte. Meine Haltungsnoten waren perfekt. Mein Kumpel und ich, wir kommunizierten stehend und lebensfroh. Trotzdem wurde mir ein Sitzplatz angeboten. So viele höfliche blaue Fußballanhänger, keine blöden grünen Radfahrer. Mit der S-Bahnverbindung klappte es nicht so zackig, wie während der Hinfahrt, aber immerhin ging es Richtung Fernsehturm. Westkreuz, Friedrichstraße; Treppe hoch, Treppe runter. Rein in die Bahn, und wieder raus. Ob ich Platz nehmen wolle, fragte mich eine Berliner Fußballbraut. Ich verriet ihr, ich wäre erst 60. Vier Magdeburger hingen in den Seilen, bzw. auf den Sitzen. Eigentlich mussten sie am Zoo raus, wollten sich aber ausruhen, bis Lichtenberg ungefähr. Wir verstanden uns. Niemand skandierte: Wer hier sitzt, ist Magdeburger, hey, hey!

Witz, komm raus!

14. April 2025

Schon heute wissen, was morgen in der jungen Welt steht. Meine Unterklassen-Kolumne zum Relegations-Remmidemmi.

In der Regionalliga Nordost findet sich eine rekordverdächtige Ansammlung an Traditionsvereinen, die einst Landesmeister oder Pokalsieger wurden; mitunter auch beides, womit sie sich für einige Europapokalteilnahmen qualifizierten. Ein derart namhaftes Teilnehmerfeld einer 4. Liga findet sich sonst nirgends auf der Welt. Doch so attraktiv diese Liga mit den Traditionsduellen und Derbys ist, so sehr stecken die großen Vereine aus Thüringen, Sachsen und Berlin auch in ihr fest. Um dem Ganzen noch die Krone aufzusetzen, muss der Nordost-Meister meistens noch in die Relegationsrunde gegen den Tabellenführer der Nord- bzw. Bayern-Staffel. Die Meister des Westens und des Südwestens steigen immer direkt auf, laut eines „mit breiter Mehrheit getroffenen Beschlusses des DFB-Bundestages.“ Dass eine baldige Aufstiegsreform in Kraft tritt, dafür engagieren sich alle Vereine der Regionalliga Nordost, bis auf Viktoria 89. Mitte Mai dürfte es zu den Relegationsspielen zwischen dem TSV Havelse und dem 1. FC Lok Leipzig kommen. Havelse ist ein Ortsteil von Garbsen, gelegen bei Hannover. Anfang der Neunziger rangierte der TSV kurzzeitig in der 2. Bundesliga. Dort will man wieder hin. Derzeit besuchen durchschnittlich 700 Menschen die Spiele im Wilhelm-Langrehr-Stadion in Havelse. Das Areal mit den 3.500 Plätzen liegt an der Hannoverschen Straße, und zwar so dicht wie einst Herthas „Plumpe“ an der Behmstraße im Wedding. Gegen Lok Leipzig will der TSV in der Heinz-von-Heiden-Arena in Hannover spielen, also im Niedersachsenstadion. Im Aufstiegsfall natürlich auch. Das ist nicht lustig. Der TSV verabschiedete sich schon im August aus dem Landespokalwettbewerb, im Viertelfinale beim Ligakonkurrenten TuS Blau-Weiss Lohne. Die Regionalliga Nord führt man nun mit 15 Punkten Vorsprung an. Vorgestern wurde der FC Teutonia 05 mit 2:0 besiegt und der Staffelsieg erreicht. Lok Leipzig ist ausreichend gewarnt, spätestens seit der Saison 2019/20, wo man gegen den SC Verl in der Relegation scheiterte; nach einem 2:2 im Heim- und einem 1:1 im Auswärtsspiel. In der Nordost-Staffel überzeugte Lok letzten Sonnabend beim 4:0 gegen den BFC Dynamo. 5.800 Zuschauern besuchten das altehrwürdige Bruno-Plache-Stadion, welches immerhin noch für 10.000 zugelassen ist. Mit zehn Punkten Vorsprung führt Lok die Tabelle an, vor dem Halleschen FC, der Babelsberg mit 2:0 bezwang. Am morgigen Mittwoch kommt für Leipzig die Mehrbelastung im Landespokal dazu, im Halbfinale beim FC Grimma. Das Hinspiel der Relegation wird im Nordosten ausgetragen, während der Vertreter aus den alten Bundesländern die letzte Chance per Heimrecht bekommt. Das wurde ausgelost, heißt es. Witz, komm raus, du bist umzingelt.

P.S.: Am 15. Mai bin ich bei den Brauseboys im Haus der Sinne zu Gast.

Gott sei Dank nicht in Leipzig

26. März 2025

Fans vergessen nie. Etwas Werbung für drei dufte Bücher.

Stadionbummler Michael Stoffl legt nach seinem Debüt »In 90 Minuten um die Welt« nach mit »Fußballstadt Berlin«. Mit dieser Veröffentlichung dauerte es ewig, weil der Culturcon-Verlag 2023 das Zeitliche gesegnet hatte. Danach ließ Stoffl viel Zeit und viele Nerven bei mindestens zwei weiteren Kleinverlagen, die sich zwar charmant und interessiert zeigten, bald aber alle Kommunikationsgerätschaften verlegt zu haben schienen, was sie mit den Großen der Branche gemeinsam haben. Super.

In Stoffls nunmehr selbst realisiertem Buch »Fußballstadt Berlin« sprechen Autorinnen und Autoren über 13 Berliner und einen Potsdamer Verein. Neben Texten über die Bundesligisten Hertha und Union gibt es welche über den ältesten deutschen Fußballverein, den BFC Germania 1888, sowie über weitere Dauerbrenner des Breitensports, die von vielen Fußballkonsumenten oft nicht mehr für existent gehalten werden, Tasmania, Berliner Athletik-Klub, Füchse Reinickendorf oder Tennis Borussia.

Schreibende Fans schildern Turbulenzen der älteren und jüngeren Vergangenheit, und warum es sie immer noch zu ihrem Verein zieht. Sehr gut, wie Janusz Berthold die krasse Historie des BFC Dynamo mit seiner Fankarriere verwoben hat. Als »Bonzenkind« saß er während seiner ersten Spiele unweit des Ministers für Staatssicherheit auf der Tribüne. Die beginnenden Auswüchse des Hooliganismus nahm er bis zur eigenen Haustür an der damaligen Dimitroffstraße wahr, wo BFC-Fans den Gästen aus Sachsen nachjagten, die jedoch nicht in den Hausflur flüchten konnten, da die Tür von innen zugehalten wurde – von ängstlichen Volkspolizisten.

Das war zu einer Zeit, als es der Mariendorfer Verein Blau-Weiß 90 in die Erste Bundesliga schaffte. Andreas Thome berichtet von der unbefangenen Fannähe der Spieler und unheimlichen Transitreisen durch die DDR zu den Auswärtsspielen. Während seiner Lesungen spricht Thome, Autor von »Heja Blau-Weiß!«, weitestgehend frei, wobei ihm Namen und Zahlen schneller einzufallen scheinen, als er sie aussprechen kann.

Die Bücher hier finden ihre Interessenten auf direktem Wege, bei Lesungen und in Stadien. Verleger und Agenten checken nichts. Als großer Fisch im Teich darf Marco Bertram gelten. Der Webseitenbetreiber, Fotograf und Vielschreiber brachte es auf ein gutes Dutzend Veröffentlichungen zu den Themen Reisen und Fußball, oft unter gänzlich eigener Regie. Mit »Kaperfahrten II« liefert er den zweiten Teil zur Geschichte der Hansa-Rostock-Fanszene ab. Das Buch wiegt 1,9 Kilogramm und beeindruckt mit einer illustren Schau an Devotionalien von 1973 bis 2025; beginnend mit damals eher seltenen Farbfotos der Anhänger, über Abbildungen der Programmhefte und Eintrittskarten bis zu den Kuriositäten aus dem DDR-Alltag.

Bertrams 512-Seiten-Werk startet mit einem süffisanten, mit passenden Zeichnungen garnierten Miniroman. Zwei Freunde unternehmen eine Radtour von Berlin nach Rostock zu einem Spiel von Hansa. Der Einstieg erinnert herzallerliebst an Benno ­Pludras Kinderbuchklassiker »Die Reise nach Sundevit«. Es folgen ausführliche Gespräche mit Trainerurgestein Heinz Werner und einigen Fans. Zwischendurch überrascht Bertram mit Hot Stuff aus dem Ferienlager.

Man muss kein Hansa-Fan sein, um sich auf »Kaperfahrten II« einlassen zu können, das zum Ende hin mit Fotos von unkenntlich gemachten Ultras modernem Quatsch folgt. Dafür ist es auch nur halb so teuer wie ähnlich opulente Veröffentlichungen der Gewinnmaximierungsschwurbler. Die Fanzine-Macher von einst, sie produzieren heute eigene Bücher. Und: Auf keinem der Buchrücken findet sich eine Empfehlung von Eva Seidenweich.