Vor Jahren ging man zum ersten Heimspiel der jeweiligen Saison, um zu überprüfen, wer alles noch hinginge. Inzwischen ist klar, die die immer hingehen. Also kein Gezeter, sondern Dauerkarte klarmachen. Der BFC Dynamo hatte unter dem neuen Trainer Andreas Heraf einige Vorbereitungsspiele hinter sich. Beim 1.FC Magdeburg wurde 3:0 verloren, doch im heimischen Sportforum Hohenschönhausen konnten Lichtenberg 47 und Hansa Rostock II 3:0 bzw. 3:1 bezwungen werden. Am letzten Sonnabend stand der letzte Test an, gegen keinen geringeren als Unione Calcio Sampdoria, dem Verein aus Genua. Er rangiert derzeit in der 2. Liga, doch während seiner 78jährigen Vereinsgeschichte war er überwiegend der ersten Liga zugehörig. Einmal italienischer Meister, einmal Europapokalsieger unter den Landespokalgewinnern, das war 1991 bzw. 1990 gewesen. Die Rückkehr ins Oberhaus hat man fest im Visier, mit Andrea Pirlo als Trainer, dem Weltmeister von 2006. Sein Name prangte auf den Ankündigungsplakaten, die in Berlin nicht zu knapp geklebt worden waren; mitsamt den beiden Vereinslogos, wobei auf dem der Gäste die Silhouette eines rauchenden Seemanns abgebildet ist. Schwer zu sagen, ob der BFC gegen den namhaften Gast dem Aufwärtstrend etwas Nachdruck verleihen könnte. Bei Temperaturen von über 30 Grad am späten Nachmittag zog es so manchen Interessenten mit Familie oder Freunden an ein Gewässer. Die anwesenden 2.000 Zuschauer zählten demzufolge wohl eher zu den Eisbadern im Winter. Es gab sogar einen ordentlichen Gästeblock mit etwa 200 Leuten. Der Bus mit der Mannschaft aus Genua rollte aus dem Thüringen Quartier später als geplant in Hohenschönhausen an und so richtig in Schwung kamen Sampdorias Spieler selten. Ein Klassenunterschied war in Berlin nicht zu erkennen. In der 13. Spielminute schob Rufat Dadashov für den BFC zum Tor des Tages ein, just in dem Moment, als mir Nick ein Bier reichte. Ich hatte den Treffer nicht gesehen und noch keinen Schluck genommen; es war trotzdem super. In der 78. Spielminute konnte Julian Wießmeier vom Elfmeterpunkt die Chance zum 2:0 nicht nutzen. Doch der BFC verbreitete Optimismus im Hinblick auf die neue Saison, in der man ganz oben mitspielen will. Trainer Andreas Heraf scheint keiner zu sein, der ewig in der viertklassigen Regionalliga Nordost zu bleiben gewillt ist. Er kam aus der Bundesliga Österreichs, vom dortigen Absteiger Austria Lustenau, und er hätte diesen Verein wohl retten können, wäre er etwas eher engagiert worden. Ehrenvoll verabschiedet, so nennt man das wohl. Nach Hohenschönhausen fand er dank BFC-Sportdirektor Angelo Vier, mit dem er einst bei Rapid Wien zusammengespielt hatte. Heraf ist ein geradliniger Typ, der ein ebensolches Auftreten seiner Spieler auf dem Rasen erwartet und mit seiner Arbeit gut vorankommt. Am kommenden Freitag beginnt die neue Saison, unter anderem mit dem Knaller BFC gegen Jena, ab 19 Uhr im Sportforum.
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Zwischen den Schichten
Für die Unterklassen-Abteilung der jungen Welt werde ich nur noch einmal im Monat eine Kolumne abgeben, denn noch weniger Geld ist für mich allemal genug. Einigermaßen neu als Berichterstatter ist Marco Bertram. Gut so. Heute gehe ich auf zwei Bier in die Kneipe, morgen Abend sitze ich eine Stunde beim Zahnarzt auf dem heißen Stuhl und am Freitag bin ich beim Tresenlesen in der Bornholmer Straße mit zwei Roman-Ausschnitten am Start. Ich gehe jetzt mal davon aus, dass ich nach den morgigen Steinbrucharbeiten im Unterkiefer dazu im Stande sein werde. Am Sonnabend trifft der BFC Dynamo auf Sampdoria Genua, in einem internationalen Freundschaftsspiel, bei dem man sich hoffentlich weniger gegen die Knochen tritt als beim gestrigen Vorbereitsspiel zwischen Energie Cottbus und Hertha BSC. Am Sonntag fabriziere ich eine Kolumne für die junge Welt-Ausgabe des kommenden Dienstags, in der es eventuell darum geht, warum ich mir eine Dauerkarte für den BFC gekauft habe, oder warum nicht.
Auf Wiedersehen, Mallorca!
Als ich noch jünger war, letzten Freitag zum Beispiel, bei meiner ausführlichen Lesung mit Jan von Im Ichs musikalischer Unterstützung im Hoolywood, da war die Hütte voll, es brannte die Luft, und alle Bücher, die ich angeschleppt hatte, konnte ich auch verticken. Vielen Dank an alle, die da waren, auch wenn sie anschließend nicht mit uns in den Husemann Pub gekommen sind. Und am Sonnabend dann die Lange Buchnacht auf der Oranienstraße. Mal wieder im Goldenen Hahn, zur besten Lesezeit, während der Tagesschau. Die Luft im Laden war eigentlich nicht vorhanden und einige Gäste hingen schon seit zwei Stunden entsprechend dort ab. Ein nicht ganz unberühmter Speiche soll an der Tür gefragt haben, ob es sich hier um das FDJ-Treffen handele. Nun ja. Ich war vom Vorabend noch voll euphorisiert, machte da so mein Ding, fand es allerdings viel zu ruhig, habe die Meute nicht geknackt, keinen Buchverkauf offeriert. Es soll aber gut gewesen sein. Vielen Dank an alle, auch wenn sie anschließend nicht mit uns vor dem Spätverkauf das Deutschland-Spiel gesehen haben und danach auch nicht mit uns noch mal in den Hahn zurück schlenderten, und dann in den Trinkteufel, und dann in den Elefanten – alter Schalter, muss ick ma jung jewesen sein! Hier ist meine heutige Kolumne:
Welch sagenhaftes Pauschaltouristenparadies diese balearischen Inseln doch sind, mitsamt ihren über 200 Fußballvereinen, von denen allein in Palma 60 existieren. Unter anderem der Real Club Depotivo Mallorca, der in der abgelaufenen Saison den 15. Platz in der La Liga belegte. Meistens spielte Real während seiner über hundertjährigen Geschichte eine Etage tiefer, um für kurze Zeit ins Oberhaus zurückzukehren, wo man zwischen 1997 und 2013 erstaunlich lange rangierte. Der bekannteste Lokalrivale dürfte Atletico Baleares sein, der derzeit in der 3. Liga spielt, in der Primera Federación. Es empfiehlt sich ohnehin, im Ausland sportliche Veranstaltungen zu besuchen, fernab der Touristenpfade, wo die Einheimischen nicht permanent ihren Geschäften nachgehen müssen. Mitunter kann man sich nur wenige Minuten vom Strandboulevard entfernt an einem Kunstrasenplatz wiederfinden, wo einige hundert Zuschauer dem Geschehen beiwohnen und sich über Besucher freuen, die etwas Interesse an ihren mitbringen. 18 Balearen-Vereine aus Mallorca, Ibiza und Menorca treffen in der viertklassigen Tercera División aufeinander, in der elften der 18 Unterklassengruppen. Im Netz findet man die anstehenden Termine auf flascore.de. Die Sonne lacht über all die Plätze ohne Laufbahnen. Oft gibt es nur eine große Haupttribüne. Man hat die beste Sicht auf die umliegende Berglandschaft. Hier ist der Tourist nicht nur nah dran, sondern auch mittenmang und muss nicht unbedingt im I-love-Malle-Nicki einen auf Peacer machen. Es gibt ohnehin so schöne ein- beziehungsweise mehrfarbige Sechserpacks mit Nickis, die man für den Preis von einer blöd-bedruckten Obertrikotage bekommt, und man kann die Einfarbigen überall anziehen. In den Stadien und an den Plätzen ist man auch relativ sicher vor den alten und neuen Insel-Schlagern wie „Hafen der hunderttausend Lichter“, „Auf Wiedersehen, Mallorca!“, „Bunte Stadt am Meer“ oder „Mallorca, kleine Insel im Sonnenschein“. Zumindest vor den deutschsprachigen Versionen. Ansonsten hört man dort viele Produkte vom gefürchteten Euro-Pop, aber auch flotte Vereinshymnen, die sich schnell ausfindig machen lassen, wenn man bei youtube die klangvollen Vereinsnamen eingibt. In einem Buchladen habe ich ein Fanzine ergattert, dem eine CD der Punkband Pedrada en la Kara beilag. Die drei Herren orientierten sich am Stil der Thüringer Schleim-Keim, wofür nicht zuletzt die Coverversion von „Nein, nein, nein“ zeugte. Ach, wir haben uns schon alle gerne, und Malle fetzt.
Der Kaiser vom Knochenberg lebe hoch!
Doktor Karsten Krampitz, bekannt als Miterfinder der Trinkerklappe und Forscher zum Leben und Sterben von Pfarrer Oskar Brüsewitz, sowie als Schreiber solcher Werke wie Affentöter und Der Kaiser vom Knochenberg, hat für die heutige Ausgabe vom ND meinen Roman rezensiert.
1:1
Schon heute wissen, was morgen in der Zeitung steht:
Hú! Färöer! B 36 Torshavn gegen B 68 Toftir. Der Sechste traf auf den Neunten im Zehnerfeld in der erstklassigen Betrideildin. Ja, so viel muss man wissen: Es gibt zwei direkte Ab- und Aufsteiger, wie auch in der jeweils eingleisigen 2. und 3. Liga. Unterhalb der 4. Liga mit zwei Staffeln folgt der Straßen- und Strandfußball. Das konnte ich erforschen, obwohl die Sprache der Färöer eine der wenigen ist, die google nicht zu übersetzen vermag. Unter den 50.000 Menschen leben 1.500 Fußballer. Als ich in Torshavn City nach dem Austragungsort des Knallers fragte, bekam ich einen freundlich-dreinschauenden Fisch geschenkt. Ich konnte nichts mehr für ihn tun und legte ihn am Backwarenstand zur letzten Ruhe ab. In der 13.000-Einwohnern-Stadt, auf der größten der fünf Inseln, gibt es sogar mehr Menschen als Schafe. Doch selbst hier begegneten mir unvermittelt einige Vierbeiner, derer es 80.000 auf den Färöern geben soll. Am Stadioneingang trottete eines dieser Wesen neben mir her. Es gehörte wohl zur Gruppe, die auf dem flachen Stadiondach das Gras niedrig hielt. Doch an Spieltagen schlendern auch einige Schnorrer über die eigens für die Schafe angelegte Rampe auf das Dach, um sich das ohnehin niedrige Eintrittsgeld zu sparen. Ich gesellte mich unter die 300 Zahlenden, womit der Zuspruch unter den durchschnittlichen 500 lag, trotz der erfrischenden 10 Grad Celsius, die hier schon Sommer bedeuteten. Ich gönnte mir ein Föroya Bjór, ein einheimisches Bier für 4 Euro. Als Snack gab es fermentiertes Fleisch. Schafsschinken mit guten Schimmelbakterien. Er stank ziemlich, anderseits wehte eine steife Brise. Der Färöer grinst sich dann einen und zeigt in irgendeine Himmelsrichtung, was so viel heißt wie: Viele Grüße nach Island, beziehungsweise Schottland oder Norwegen. Tja, gute oder schlechte Bakterien? Die schmeckten doch alle gleich. Und wie würde das Spiel ausgehen? Aus den 90 Spielminuten resultierte ein gerechtes 3:3 nach gelben Karten, ein 0:0 nach roten, ein 9:3 nach Ecken und ein 1:1 nach Toren. B 36 war in der 57. Spielminute durch Hannes Agnarsson in Führung gegangen, in der 60. glich Brian Jakobsen aus. Nordische Namen, die nicht nach Legionären klangen. Torshavn dominierte das Spiel, doch die Gäste aus Toftir ließen sich nicht verarschen. Sie waren durch die kürzeste Verbindung des Tunnelsystems von der Nachbar- auf die Hauptinsel gekommen. So gut kannten sie sich im 11 Kilometer umfassenden Esturoyartunnilin aus. Anders als die vielen internationalen Gäste, welchen man versprochen hatte, das Land zu zeigen. Doch dann lieferte man sie dem Kreisverkehr unterhalb des Meeresspiegels aus und konnte dank deren Tunnelkoller einige Ergebnisse verzeichnen, die in der weiten Fußballwelt aufhorchen ließen. Hú! Hú! Hú!
5:1
In der Wochenend-Ausgabe der jungen Welt findet sich eine Rezension zu meinem zweiten Roman. Finde ich gut. Das Foto ist von geschätzt vor zehn Jahren. Ich sehe zwar seit dem Millennium so aus, aber das Nicki hatte ich etwa 2014 manchmal an. Mein Sohn hat das Foto geschossen und ist inzwischen ausgezogen, weil ich mich so unnatürlich in der Wohnung positionierte. Doch wie kam das Foto zur Zeitung?
Wir warten auf die Fußball-EM-Endrunde
Heute schon wissen, was morgen in der Zeitung steht. Ein Text über zwei Spiele, bei denen ich nicht war. Eine Kolumne, die der Fußball-Woche-Leser aus der Hauptstadt des Endrundengastgeberlandes nicht braucht, aber die Leserschaft der jungen Welt. 🙂
Sechs Minuten Glückseligkeit
Freundliche Sonne und leichter Wind sorgen für bestes Fußballwetter, am Tag der Entscheidung in der fünftklassigen Oberliga NOFV Nord. Im Fernduell ringen Tabellenführer Hertha 03 Zehlendorf und Lichtenberg 47 um die Tabellenspitze, um den direkten Aufstieg in die Regionalliga Nordost. Zehlendorf führt mit einem Punkt Vorsprung, doch ein Sieg bei Optik Rathenow ist Pflicht. Dass der gelingen kann, wissen mindestens die 222 mitgereisten Unterstützer unter den 450 Zuschauern. Lichtenberg tritt im heimischen Stadion vor 1.000 Zuschauern gegen die TSG Neustrelitz an. Beide Titelaspiranten verzeichneten zuletzt einige Kantersiege gegen die Konkurrenz aus nah und fern. Das erste direkte Duell ging am 2. Spieltag 2:1 für Hertha aus, das Rückspiel endete 1:1 und Ende März gewann 47 das Viertelfinalspiel im Berlin-Pokal mit 2:1. Zehlendorf verlor im Laufe der Saison nur ein Spiel, Lichtenberg dagegen zwei. Alles Schnee von gestern. Die alles entscheidenden Spiele beginnen am Sonnabend zeitgleich um 14 Uhr, im Rathenower Stadion am Vogelsang und im Lichtenberger Hans-Zoschke-Stadion. Das aus den Tagen vor dem Millennium bekannte Muschelbubu in den höheren Ligen soll möglichst ausgeschlossen werden. 14 Uhr 17 geht Lichtenberg in Führung, 14 Uhr 23 gleicht Neustrelitz aus. Für sechs Minuten darf sich der Vorjahresabsteiger aus der Regionalliga als Wiederaufsteiger wähnen. Zehlendorf trifft nach einer halben Stunde und baut die Führung bis zur 48. Spielminute auf ein 3:0 aus. Alles scheint gelaufen. Doch nach einer knappen Stunde keimt Hoffnung in Lichtenberg auf, da man 3:1 führt und Rathenow gegen Zehlendorf auf 2:3 heranrückt. Dem bis dahin dösenden Fuchs auf der Tribüne gegenüber wird es zu unruhig. Er verabschiedet sich vorzeitig. Für 25 Minuten darf in Lichtenberg auf eine Sensation am schönen Rathenower See gehofft werden, bevor die zumeist konzentriert, auftretenden Herthaner dort in der 85. Spielminute ein 4. Tor schießen. Das Internet lässt die Fans der 47er zeitnah am Moment des Grauens teilhaben. In Lichtenberg wird der Vizemeister dennoch gefeiert, denn über kurz oder lang wird es mit dem Verein aus einem der schönsten Fußballstadien der Stadt wieder aufwärts gehen. Vorerst hat der etwas größere Fußball die kleine Hertha aus dem Südwesten der Hauptstadt wieder, den alten Fußball-Adel, der bis zur Saison 1997/98 in der Regionalliga auf die einstigen Urgesteine der DDR-Oberliga traf, bevor er für zweieinhalb Jahrzehnte in den Niederungen des Spielbetriebs rangierte, bis runter in der sechstklassigen Berlin-Liga. Herzlich willkommen in der Regionalliga Nordost!
Leute!
Wir haben bereits die Halbzeitpause zwischen meinem Buchveröffentlichungsabend und dem Fußball-EM-Endrundenstart hinter uns. Das Verhältnis der verkauften „Berlin Nordost Blues“-Exemplare bei den Solo-Lesungen gegenüber bei den Lesebühnengastspielchen beträgt etwa 30:1. Einige Leute haben die 200 Seiten innerhalb von zwei, drei Tagen ausgelesen. Prima. WhatsApp hält mich auf dem Laufenden. Mindestens eine Buch-Rezension ist nach meinem Kenntnisstand bereits im Kasten, doch die Medien müssen bis Silvester über Franz Kafka berichten. Am Mittwoch dem 12. Juni bin ich ab 19 Uhr in der Ventil-Buchhandlung in der Florastraße in Pankow zu Gast. Ich werde kämpfen, ihr könnt kucken.