Der Berliner Kurier fand deutliche Worte, ich flüchtete mich in den Humor. Come, China Man, come! Meine Unterklassen-Kolumne:
Sonntagvormittag in Berlin. Strahlender Himmel, kein Niederschlag. Die Temperaturen lagen etwas unter dem Gefrierpunkt. Mein sechzigster Spätherbst ist der reinste Spaß. Noch herrschte Fahrradwetter. Früher, wenn der Schnee bis zu den Knien reichte, wurde im Stadion die Rasenfläche halbwegs geräumt; es gab einen roten Ball, und schon rollte dieser. Auf den Rängen ging niemand an der frühen Winterpracht zugrunde. Vorgestern wollte ich zum Kracher zwischen dem 14. und 9. der Regionalliga Nordost: BFC Dynamo gegen FSV Luckenwalde. Als ich im Sportforum ankam, eine Stunde vor dem geplanten Anpfiff, befanden sich die weinrot-weißen Fans auf dem Anmarsch, aber auch einige blau-gelbe Gäste. Seltsamerweise zeigten sich die Kassenhäuschen verschlossen. Da traf die Nachricht übers Taschentelefon ein: Spiel fällt aus, wegen ist nicht. Also ab ins Vereinsheim, Tee trinken. Bier gab es in der Nacht davor genug, beim tollen Konzert von Herbst in Peking. Einige Infos und Gerüchte machten die Runde. Der Schiedsrichter hätte sein Okay gegeben, aber der Typ von der Sportstättenverwaltung wäre dagegen gewesen. Hm, weiß so ein Verwalter nicht spätestens am frühen Vormittag, ob der Rasen bespielbar wäre, und hat das letzte Wort nicht der Schieri? Etwa 105 Minuten vor dem vermeintlichen Anpfiff habe die Nachricht im Internet gestanden. Auf den Kosten dürfte der BFC sitzen bleiben. Derartige Hiobsbotschaften nimmt man nicht so gelassen hin, wie die Nachricht vom positiven Ausgang einer Darmspiegelung. Immerhin waren einige Freunde am Start, die sich am leichtesten treffen ließen, wenn ein Fußball- oder Konzerttermin vorgegeben wurde. Wobei, nebenbei verraten, die Konzerte manchmal so öde waren, dass ich mich langweilte, und mir andere Leute auffielen, die sich auch zu langweilen schienen. Und ich würde fast drauf wetten, dass selbst manchem Schreihals, der seit einigen Jahrzehnten seinen Quatsch ins Mikro brüllte, die eigenen Shows zu blöde wurden. Am besten an manchen Abenden waren unsere Treffpunktkneipen, so dass wir irgendwann die Losung ausriefen: Heute Saufen, ohne Kultur! Nur Kneipe, kein Konzert! Doch was sollten wir mit diesem angebrochenen Sonntag anfangen? Vielleicht einige Biere trinken und danach die Geschäftsstelle des Nordostdeutschen Fußballverbandes besuchen, die sich in der Nähe befand. Ich bestellte mir einen zweiten Tee. Das habe ich während meiner viereinhalb Fußballjahrzehnte zum ersten Mal auf einem Stadiongelände getan. Außer dem eigenen Spiel fiel auch das zwischen Meuselwitz und dem BFC Preussen aus. Ob die heutige Partie zwischen Hertha Zehlendorf und Chemie Leipzig stattfindet, und die morgige zwischen Altglienicke und Hertha BSC II, darf bezweifelt werden. Winterpause bis April? Es wird Zeit, dass die Chinesen den bundesrepublikanischen Laden übernehmen und binnen weniger Monate im Sportforum ein akzeptables Stadion hochziehen. Prima, wenn die Chinesen unsere Fans und Vereine vor den Funktionären der hiesigen Sportpolitik mittels negativen Sozialkredit schützen. Come, China Man, come!
