Zurück zu den Wurzeln

12. Februar 2024

Vor 30 Jahren schrieb ich für das Fanzine „Zonenzombie“ meine ersten autobiografisch-gestreckten Spielberichte. Morgen bin ich in der linken Tageszeitung „junge Welt“ auf der Sportseite vertreten. „Zonenzombie“, „junge Welt“ … alles das selbe? Ich denke vor allem, erstens ist Klimpergeld schön, und zweitens bekomme ich für jeden zweiten Dienstag die geforderten 2.500 Zeichen sicher etwas einfacher hin wie zwischen 2014 und 2017 zu nahezu jedem Freitag die 3.000 persönlichen Zeichen für Gläsers Globus. Beim Sport kann ich aus der Fachpresse abschreiben und fühle mich nicht durch die naheliegende Selbstzensur gebremst. Fußballberichte, nun ja, ich war damals auch nicht bei allen Spielen, und werde es vermutlich auch nicht sein, wenn ich demnächst aus der Unterklasse Islands berichte. Hier ist mein morgiger Artikel, noch so toll ohne Korrektur:

Sonntag, 11 Uhr, am Volkspark. 9. Bundesliga. Der VfB Berlin-Friedrichshain 1911 trifft auf den FC Polonia. Kreisliga A, Abteilung 4. Im Sonderheft der Fußballwoche findet sich dazu eine Übersicht auf Seite 187, wenn man blättert und denkt, verdammt, das Teil hat doch nur 170 Seiten. Der Gastgeber aus dem vorderen Tabellendrittel empfängt eine Truppe aus dem letzten Drittel. Die Trikots der VfB-Spieler ziert ein Logo, welches wie ein erstes K.I.-Experiment aussieht, dass von Polonia erinnert an ein Punk-Kneipen-Emblem. Der Spaß kostet weder Eintritt noch Schutzgeld. Als die Mannschaften sich warmmachen, fliegt manch Leder ins Aus. Ich habe meine erste Ballberührung, werde nicht verhaftet. Alles entspannt, flottes Spiel. Keine Trennung der 20 Zuschauer. Ich vermisse die vor Jahren gesichteten Ü40-Ultras, drei an der Zahl. Es ist kühl, ständig nieselt der Regen. Ich hole mir einen Kaffee und einen Schokoriegel. Alles kostet jeweils eine Mark. Das knappe Dutzend Polonia-Fans trinkt Bier, einer engagiert sich als Linienrichter. Schiri, war Abseits! Die Fans vom VfB sind traditionell eher die, welche für die Kontrahenten Kaffee und Kuchen bereithalten. Mindestens seit 2005, als mein Sohn für einige Jahre im Tor stand. Er war Keeper oder Künstler. Mit ihm und seiner Fieberkurve ließ sich schlecht planen. Später ging er für eine Saison zum Basketball, dann für drei Spielzeiten mit einem Mädchen. Nicht die schlechteste sportliche Karriere. Ob ein Junge seiner damaligen Truppe in dieser Männermannschaft spielt? Könnte sein. Der VfB geht verdient in Führung, Polonia gleicht aus. 1:1, Pause. Ich brauche einen Tee. Immer rein damit, die WCs sind hier menschenfreundlicher als fünf Spielklassen höher. Man sieht, wo die Fördergelder bleiben. Auch während der 2. Halbzeit läuft das Spiel zackig über den nassen Kunstrasen. Auf diesem Geläuf finden weder Fuchs noch Krähe eine Maus oder einen Wurm. Es herrscht hohe Verletzungsgefahr, mit und ohne Gegnereinwirkung. Wenn in dieser Liga einer liegt, glaubt man ihm. Inzwischen ist die Seitenlinie gut bevölkert, von Anwohnern und Auswechselspielern, Spaziergängern und Joggern. 60 friedliche Seelen. Der VfB schwingt sich zu flotten Kombinationen auf. Folgerichtig fällt das gut herausgespielte 2:1. Polonia drängt auf den Ausgleich, versiebt aber zwei Chancen und verliert. Der VfB rückt vom 4. auf den 3. Platz vor und lauert bei drei Punkten Rückstand zum Tabellenführer FC Arminia Tegel 77, der sein Spiel gegen FC Treptow 3:2 gewinnt, auf die Eroberung des Platzes an der Sonne. Polonia wird die Klasse halten. Gut so.

Ein Jahr, jede Woche ein Buch?! 6. KW, 5.2. bis 11.2. David Zane Mairowitz und Robert Crumb, „Kafka“. Zwei US-Amerikaner, eine Graphic Novel, wohl aus dem Jahre 2013 und nun neu aufgelegt im Hause Reprodukt. Sehr schön, was das Traumteam da produzierte. Leben und Werk von Franz K. aus P. wurden knackig zusammen gefasst. Voll das Vater-Sohn-Dilemma, viel Identitätsschizophrenie und literarischer Wahnsinn, mit und ohne Frauen. In „Kafka“ verewigte der alte Zeichner Crumb dutzende Meisterwerke, die es sich hin und wieder anzusehen lohnt. Bekommt man für´n knappen Zehner geschenkt.